politika, die Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft, hat im Oktober vorigen Jahres beschlossen, die Auszeichnung “Politische Persönlichkeit des Jahres”, ein Titel der alljährlich für “besondere Leistungen im Bereich der Politik” vergeben wird, an den Journalisten, Buchautor und Dokumentarfilmer Christoph Franceschini zu vergeben. Die Verleihung erfolgte am vergangenen Dienstag im Alten Rathaus in Bozen.
Auslöser für die Wahl Franceschinis war das Buch “Freunde im Edelweiß”. “Aber der Anlassfall hätte nicht genügt. Es ist die jahrelange, hartnäckige, nicht nachlassende journalistische, investigative Tätigkeit, die Christoph Franceschini über den Anlassfall hinaus kennzeichnen”, schreibt politika in einer Aussendung. In der ausführlichen Begründung heißt es:
Christoph Franceschini [ist] seit Ende der 1980er-Jahre ein verlässlicher investigativer Journalist, dessen Scoops mitunter weit über die Grenzen Südtirols Resonanz finden. Er war und ist ein konstanter Faktor im Spiel von Checks and Balances in Südtirol und repräsentiert als Aufdeckungsjournalist wie kaum ein anderer seiner Zunft die Kontrollfunktion der Vierten Gewalt gegenüber den Machthabenden.
Franceschinis Arbeit bildet durch ihre Tiefe, Beharrlichkeit und Überparteilichkeit eine Alternative zu einem Journalismus, der sich auf Agenturmeldungen und Presseaussendungen stützt und weite Teile der Nachrichtenwelt in Beschlag genommen hat. Der auch in Südtirol gegenwärtigen Verquickung von Journalismus, Politik und Wirtschaft versucht sich Franceschini zu entziehen, auch dank eines für seine Arbeit unabdingbaren Netzwerks.
Meinungs- und Medienpluralismus sind Grundpfeiler der Demokratie. Das Wissen um Vorgänge und Hintergründe in Politik und Wirtschaft ist eine Voraussetzung für demokratische Teilhabe. Dieses stärkt Franceschini zusätzlich, indem er seine investigativ-journalistischen Einsichten in Büchern und Filmen aufbereitet, vertieft und/oder historisch einordnet. Die Auszeichnung Franceschinis als Politische Persönlichkeit des Jahres 2022 anerkennt, dass die Arbeit unabhängiger Journalistinnen und Journalisten den Boden demokratischer Prozesse bereitet und die Pressefreiheit einen fundamentalen und somit unverzichtbaren Aspekt der Grundfreiheiten darstellt, die es in einer Demokratie zu verteidigen gilt.
Mir wurde bei der Verleihungszeremonie die Ehre zuteil, die Laudatio auf Franceschini zu halten, welche ich hier wiedergebe:
Die Laudatio: würdevoller, hochgeistiger Höhepunkt einer jeden Auszeichnung. Wenn man sie aber einen Kindskopf wie mich bestreiten lässt, können daraus schon einmal
„Flache Witze für einen steilen Typen“
werden. Los geht’s: „Die Presse hat die Aufgabe das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.“ Wenn man diesen Aphorismus des österreichischen Schriftstellers und Theaterkritikers Alfred Polgar in einen hiesigen Kontext stellt, dann wird klar: Christoph Franceschini ist der Rasenmäher Südtirols. Und wie es sich für einen ordentlichen Rasenmäher gehört, macht er gehörig Lärm. Seine Stimme wird gehört. Und obwohl er für sie singt, ist er das Gegenteil der Schneekatzen, die alles zudecken. Mit seinen Scoops hat er einigen überfliegenden Ambitionen bereits das Grab geschaufelt. Und dieses Schaufeln beherrscht er mittlerweile aus dem Effeff, für die er übrigens auch einmal gearbeitet hat. Bei einem bekannten österreichischen Nachrichtenmagazin hat er sich ebenfalls profiliert. Mag er eigentlich Wortspiele? SEL denk I woll, wenn I an SELfservice denk. Max Rainer Sensationsjournalismus um des Skandals willen sein, wie manche mit Schaum vor dem Mund poltern, pirchern und stockern, oder das Gegenteil: Der Wilde aus Eppan geht den Mächtigen nicht auf den Laim.Er klebt ihnen vielmehr an den Fersen. Wenn er zu mähen beginnt – ach seine Philippika in die Tasten hammert – steigt in Hausnummer 7 – in der Brennerstraße wie am Weinbergweg – und eventuell auch überall dazwischen der Blutdruck. Seinem Äußeren entsprechend hat er sich nie für den einfachen, den glatten, den geebnerten Weg entschieden. Seines ist die harte Tour, das Zottelige. Er eilt von einer journalistischen Brandstätte zur nächsten. Zwischenstopp höchstens mal vor Gericht. Die Bauernschläue ist ihm ebenso zuwider, wie der Urlaub bei diesen. Stellt man ihn vor die Wahl,traud er sich statt des Deegens die noch spitzere Feder zu nehmen, womit er schon so manchen Mannfreddo – also kalt – erwischt und von der Komfort- in die Erweiterungszone oberhalb der Wahrnehmungsgrenze befördert hat. „Das geht nicht“ gibt es für ihn nicht. Das sagt er selber. Wenngleich der Weg zum tatsächlichen Abschluss seines Studiums – Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft hat er sich aufgehalst – dann doch ein zu steininger war. Zwischenzeitlich hat er in Eppan aktiv die Seite gewechselt. Aber er bleibt Pressemensch und nicht Gutmensch, denn das Wort mag er nicht. Er sieht sich wie Südtirol lieber im Fadenkreuz der Mächte. Dementsprechend wenige Freunde hat er im Edelweiß. Seine zweite Rolle ist beim Film. Für „Bombenjahre – Die Geschichte der Südtirol-Attentate“ hat er 2005 sogar einen Preis – Achtung, jetzt wird es sehr sehr flach! – ergattert. Mit über 50 wagte er schließlich den Sprung. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Er ist nach 17 Jahren von der Neuen Südtiroler Tageszeitung, die ihm zu boulevardesque wurde, ab- und bei salto.bz aufgesprungen. Online statt Print. Auf Linie ist er dennoch nicht. Er bleibt sich treu, ohne sich verbiegen zu müssen. Ein grader, kein ebner Michl. Oder wie George Orwell niemals sagte: „Journalism is printing what someone else does not want printed. Everything else is public relations.”
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