In Italien soll demnächst die Verfassung so abgeändert werden, dass Italienisch auch offiziell als Amtssprache festgeschrieben wird — und zwar vielsagenderweise in Artikel 12, der die Trikolore als Staatsflagge definiert. Die Sprache wird also zu den Symbolen des Staates gereiht und im übertragenen Sinn wie eine Fahne geschwenkt.
Laut italofonia.info gab sich der Vorsitzende der Kulturkommission im italienischen Abgeordnetenhaus, Fabio Mollicone von der neofaschistischen Regierungspartei FdI, im Jänner sicher, dass die Verfassungsänderung in wenigen Monaten umgesetzt werden kann.
Ganz besonders besorgniserregend ist dabei, dass dem Portal zufolge jede Staatsbürgerin nicht nur das Recht haben soll, die italienische Sprache zu gebrauchen, sondern ganz ausdrücklich auch die Pflicht, sie zu beherrschen. Das ist heute nicht so. Es gibt auch sonst nur sehr wenige Länder, wo die Beherrschung der Staatssprache verfassungsmäßig (oder sonstwie gesetzlich) vorgeschrieben ist.
Mit einer derartigen Norm würde Italien sein Selbstverständnis und seine Natur als »mononationaler Nationalstaat« noch einmal betonen und wesentlich verstärken, und zwar naturgemäß zum Nachteil aller anderen Sprachen, die im Staat gesprochen werden.
Insbesondere auch in Südtirol, wo die deutsche der italienischen Sprache laut Autonomiestatut gleichgestellt sein sollte, hätte die Pflicht zur Kenntnis der Staatssprache unabsehbare Folgen. Heute besteht zwar bereits eine Art Recht, die italienische Sprache (zum Beispiel im öffentlichen Schulwesen) zu erlernen, der Minderheitenschutz fußt aber auch auf dem Recht und auf der zumindest theoretischen juristischen Annahme, dass es nicht zwangsläufig nötig ist, die Staatssprache zu beherrschen.
Im Prinzip könnte man von der Gleichstellung des Deutschen mit dem Italienischen auch abzuleiten versucht sein, dass die Pflicht zur Beherrschung des Italienischen in Südtirol automatisch auf die Beherrschung des Deutschen ausgeweitet würde, doch aus der Praxis wissen wir, dass Vorschriften zu Schutz und Förderung der Staatssprache (bei der Beschriftung von Produkten, als Voraussetzung zur Berufsausübung, als Bedingung zur Erlangung der Staatsbürgerschaft etc.) auch heute schon nicht im Lichte von Artikel 99 des Autonomiestatuts ausgelegt werden. Ganz im Gegenteil. Und das wäre wohl auch bei einer verfassungsmäßig vorgeschriebenen »Sprachpflicht« nicht anders.
Nicht zuletzt hätte der Sprachartikel in der Verfassung vermutlich auch »psychologische« Auswirkungen. Auf die Sprecherinnen von minorisierten Sprachen, die sich noch stärker als bisher einseitig in der Pflicht fühlen würden, vorrangig die Staatssprache zu erlernen. Und auf die Sprecherinnen der Staatssprache, die sich — noch mehr als ohnehin schon — dazu veranlasst sehen könnten, sich auf das siamo in Italia, si parla italiano zu berufen.
Wir sind also möglicherweise bald wieder so weit, dass Sprachen nicht nur unterschwellig sondern ganz offen als nationalistische Waffe missbraucht und anderen aufgezwungen werden.
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