Die Volleyballspielerin Paola Egonu will — vorerst oder endgültig — nicht mehr im italienischen Nationalteam spielen, weil sie es satt hat, gefragt zu werden, ob sie denn überhaupt eine (»richtige«) Italienerin sei.
Rassismus und Nationalismus
Man muss weiß sein und möglichst akzentfrei Italienisch sprechen, um eine Italienerin zu sein. Und man muss eine Italienerin sein, um für Italien anzutreten.
Das sind Erwartungen, die sich mehr oder weniger direkt von der Definition eines Nationalstaats ableiten. Deshalb lassen sich die damit einhergehenden Diskriminierungen auch nur in einem gewissen Maße abschwächen und unter Kontrolle bringen, aber nicht überwinden.
Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) hat Egonu gestern in einem Facebook–Eintrag seine Solidarität ausgesprochen — wobei er auch auf ähnliche Erfahrungen hingewiesen hat, die Südtiroler Athletinnen immer wieder gemacht haben:
Solidarität mit Paola Egonu! Leider kommt es immer wieder vor, dass AtlethInnen, die für das italienische Nationalteam antreten, aufgefordert werden, ihre ‚italianità‘ unter Beweis zu stellen, beziehungsweise sich dazu zu bekennen. Auch SüdtirolerInnen waren in der Vergangenheit häufig davon betroffen. Dieser stumpfsinnige Nationalismus mit der unsäglichen Idee einer Nation mit einheitlicher Sprache, Kultur, Religion und ‘Rasse’ hat im 20. Jahrhundert zu Vernichtungskrieg und Völkermord geführt. Unser gemeinsames Europa baut auf den Ideen des Humanismus und der Aufklärung auf; unser Streben nach Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Demokratie kann nur funktionieren, wenn es von Offenheit, Respekt und Toleranz getragen wird. In Vielfalt durch eine gemeinsame Wertehaltung geeint zu sein, sollte und muss doch gerade in der Welt des Sports nicht nur Möglichkeit sondern vorbildhafte Selbstverständlichkeit sein.
— LH Arno Kompatscher
Schöne Worte, und ich meine das ernst, doch leider stehen sie im Widerspruch zur nationalstaatlichen Essenz. Sie lassen sich nur in dem Maße verwirklichen, wie der Nationalstaat selbst überwunden wird.
Es wäre aber natürlich schon viel erreicht, wenn uns wenigstens die schlimmsten Exzesse in Hinkunft erspart blieben.
Paola Egonu ist für ihre Konsequenz, ihre Situation öffentlich gemacht und eine Grenze gezogen zu haben, zu bewundern und zu danken. Südtiroler Athletinnen reagieren auf ähnliche Anfeindungen — voraus- oder nacheilend — häufig mit noch übertriebenerer Anpassung, Unterordnung und übersteigertem Nationalismus.
Wobei sich aber die Ausgangslage, trotz der vom Landeshauptmann festgestellten Analogie, in einem wesentlichen Punkt unterscheidet: Egonu »darf nicht« (eine »richtige«) Italienerin sein, obschon sie es möchte (da die ideelle Zugehörigkeit zum Nationalstaat auf angeborenen Merkmalen und nicht auf dem Willen beruht), während Südtirolerinnen deutscher und ladinischer Sprache nicht etwas anderes als Italienerinnen sein dürfen. Da sie aufgrund von Name und/oder Akzent häufig verdächtigt werden, im nationalstaatlichen Sinne gar nicht dazuzugehören, werden sie immer wieder dazu aufgefordert, ihre unbedingte Treue unter Beweis zu stellen.
In beiden Fällen wird über die allfälligen Wünsche und Gefühle der Betroffenen hinweg entschieden und diskriminiert.
Dass sich daran gerade in einem Land, in dem 2022 so viele Menschen eine postfaschistische Mehrheit ins Parlament wählen, in naher Zukunft etwas Wesentliches ändern wird, halte ich für einen frommen Wunsch.
Cëla enghe: 01
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