Demut ist Sache der politischen Mehrheit im Land offenbar nicht. Nachdem ihr Vorschlag zur Einschränkung der Mitbestimmungsrechte bei der Volksabstimmung vom Sonntag klar abgelehnt wurde, wäre es wohl angebracht, die Angelegenheit erst einmal etwas ruhen zu lassen. Stattdessen wird bereits wieder laut nicht nur über notwendige technische Anpassungen nachgedacht, sondern tatsächlich auch weiter darüber, wie das bestätigende Referendum gestutzt werden könnte. Und das, obschon es seit der Einführung 2018 noch keinen Fall von Missbrauch und Obstruktion gegeben hat, wie sie angeblich befürchtet werden. Genauer gesagt hat es überhaupt noch kein einziges bestätigendes Referendum im Sinne des neuen Bürgerbeteiligungsgesetzes gegeben.
Festzustellen ist vielmehr:
- Das was salopp als »300 Unterschriften« bezeichnet wird, die nötig sein sollen, um ein Gesetz für einige Monate zu »blockieren«, sind in Wirklichkeit 300 Promotorinnen, die öffentlich für ihr Anliegen einstehen müssen — und höhere Hürden zu nehmen haben, als nur irgendwo zu unterschreiben. Wer zum Beispiel weiß, wie schwer es selbst für größere Parteien ist, im Vorfeld einer Wahl eine Handvoll Unterstützungskandidaturen zusammenzubekommen, dürfte auch eine Ahnung haben, was für ein Aufwand es ist, in nur 20 Tagen 300 Promotorinnen für ein Unterfangen zu finden, das womöglich nach Obstruktion aussieht.
- Gesetze sind grundsätzlich ohnehin nicht dafür gedacht, auf eine unmittelbare Notlage zu reagieren, sondern haben einen längeren Zeithorizont. Für kurzfristige Regelungen gibt es andere Möglichkeiten (z.B. Verordnungen). Ein Aufschub des Geltungsbeginns um sechs Monate ist bei einem Gesetz meist unproblematisch.
- Im Umkehrschluss wäre es auch für Promotorinnen relativ unattraktiv, das Inkrafttreten eines Gesetzes um sechs Monate zu verzögern — wenn keine Aussicht auf einen Sieg bei der Abstimmung besteht.
- Entsprechend unverständlich wäre es, und dies speziell nach dem Ausgang der Abstimmung vom Sonntag, die Anzahl der nötigen Promotorinnen erhöhen zu wollen, um einen Missbrauch zu bekämpfen, der bislang nur in den Köpfen einiger Politikerinnen existiert — und gleichzeitig in Kauf zu nehmen, dass die Hürden für das bestätigende Referendum so hoch gesetzt werden, dass es faktisch unbrauchbar wird.
Dadurch, dass es pausenlos als Obstruktionswerkzeug diffamiert wird, ist das bestätigende Referendum ohnehin schon beschädigt, und alle, die es in Anspruch nehmen wollen, werden zunächst — zu Recht oder nicht — im Verdacht stehen, es missbrauchen zu wollen. Allein schon dadurch steht eher nicht zu befürchten, dass es inflationär zur Anwendung kommen wird. Im Gegenteil.
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