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Limes: Südtirol gleichschalten.

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Die wohl wichtigste und einflussreichste italienische Zeitschrift für Geopolitik, Limes, die wie Repubblica, Stampa oder Espresso zur GEDI-Gruppe gehört, thematisiert in ihrer ersten Ausgabe 2022 die zu schwache Kontrolle, die Italien angeblich über Südtirol ausübe. Anlass ist die Corona-Pandemie als Thema des gesamten Heftes — die von Fake News gespickte staatsweite Diffamierungskampagne gegen (das im Vergleich mit Italien weniger durchgeimpfte) Südtirol bietet eine willkommene Grundlage.

Autor Federico Petroni, eigenen Angaben (im guten SaltoInterview von Valentino Liberto) zufolge kein Südtirolexperte, vertritt die These, Rom müsse die Kontrolle über dieses Land wiedererlangen. Vorwand unter anderem: Der »galoppierende antizentralistische Geist« und das »Getto«, das sich die Impfgegnerinnen im Rahmen der hierzulande ohnehin vorherrschenden »weichen Segregation« erschaffen konnten.

Das Argumentarium klingt dabei eher nach 1920er Jahren denn nach 21. Jahrhundert, wenn etwa — wieder einmal — von der Wasserscheide als strategisch wichtigste Grenze Italiens und vom vielen Blut die Rede ist, das vergossen wurde, um sie (und Triest) zu erobern.

[Südtirol] ist, was dem restlichen Land völlig unbekannt ist, das Einfallstor für Einflüsse und kulturelle Manipulation aus der germanischen Welt.

— Federico Petroni in Limes

Übersetzung von mir (Original anzeigen)

È il punto d’ingresso di influenze e di manipolazioni culturali del mondo germanico di cui il resto del paese è completamente ignaro.

– Federico Petroni

Jedenfalls müsse die Regierung ein zentrales Büro für Südtirolfragen einrichten, ein Ausbau der Autonomie soll nach Möglichkeit verhindert werden. Sogar der seit 2013 geplante Übergang einiger Verwaltungsbefugnisse über die Einnahmenagentur wird als extremistisches, zu verhinderndes Projekt dargestellt.

Machen wir uns nichts vor: So skurril und überholt diese Argumente auf viele von uns auch wirken, in der politisch-medialen Echokammer des Staates ist diese faschistoide Denke nach wie vor sehr präsent. In unregelmäßigen Abständen gelangt sie, wie jetzt, als nahezu ungeschminkte Fratze an die Oberfläche, doch im Untergrund wirkt sie immer, wofür sie auch nicht notwendigerweise in der Mehrheit sein muss.

Indirekt äußert sie sich fast permanent im Verhalten von Parteien und Regierungen, in Urteilen des Verfassungsgerichts, in der systematischen Missachtung von Minderheiten- und Sprachrechten, im Bild, das staatliche Medien von diesem Land zeichnen oder in Äußerungen wichtiger Institutionen und Gruppen.


Zum wissenschaftlichen Beirat von Limes gehören unter anderen PD-Chef Enrico Letta, Ernesto Galli della Loggia, Furio Colombo, Sergio Romano, Federico Rampini, Giulio Tremonti und Romano Prodi. Die Zeitschrift wird auch im Paket mit der linksliberalen Repubblica angeboten.

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Comentârs

9 responses to “Limes: Südtirol gleichschalten.”

  1. Harry Dierstein avatar

    Guter Ansatz! Südtirol gehört schon längst kommissarisch von Rom verwaltet, weil hier einfach adäquates Personal fehlt. Dies, um die Bevölkerung vor weiterem provinziellen Dilettantismus zu schützen.

    1. Simon avatar

      Das Grundargumentarium des Kolonialherrn.

  2. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Petroni möchte im 21. Jahrhundert mit seinem Mindset aus dem 19. Jahrhundert Probleme lösen, die es nicht gibt, wenn man kein Mindset aus dem 19. Jahrhundert hat. Kann man freilich machen. Nur darf man halt dann nicht verlangen, dass man von jemandem ernst genommen wird, der im 21. Jahrhundert angekommen ist.

  3. David avatar
    David

    Ich glaube, dass sich viele Italiener:innen schwertun die Notwendigkeit einer Autonomie in Südtirol zu verstehen. Oftmals kennen viele Außenstehende die Geschichte dieses Landes gar nicht und geben Sachen von sich, die einfach nur zum Kopfschütteln sind. Erst kürzlich im Zug zum Brenner wurde das Wipptal als Teil des “Trentino” bezeichnet.
    Ich glaube auch, dass vielen die Sensibilität für Minderheitenschutz fehlt (siehe Vorfall Journalist–> Julia Unterberger oder dass man oftmals nicht seine Muttersprache gebrauchen kann (Ämter), obwohl man es können müsste.
    Man beobachtet in den letzten Jahren aber, meiner Meinung nach, eine Verschlechterung unserer autonomen Rechte (z.B. Gebrauch Muttersprache, Querschnittskompetenzen). Ich hoffe wir können bald wieder aufstocken…

    1. Matthias Wallnöfer avatar
      Matthias Wallnöfer

      Ich antworte mit einem meiner Kommentare auf Salto:

      Dank der Region werden wir Südtiroler in vielen Teilen Italiens auch als “Trentini” angesprochen (bzw. im “Trentino” wohnhaft), da die Regionsbezeichnung “Trentino-Alto Adige” in abgekürzter Form Verwendung findet. Erstens finde ich diese Bezeichnung verfehlt, da uns nicht die richtige Anrede zuteil wird. Zweitens deutet sie darauf hin, dass die Regionen eine viel größere Sichtbarkeit genießen als die (autonomen) Provinzen. Wundern wir uns deshalb nicht, wieso viele Landkarten und IT-Systeme diesen Umstand genau so wiedergeben.

      1. Simon avatar

        Hierzu schreibt Petroni in seinem Artikel auf Limes:

        La lista dei desideri è sempre pronta e lunga. Elenchiamo i punti più significativi. Abolire la Regione Trentino-Alto Adige, che lo Stato conserva per arginare proprio le richieste che attaccano la cultura italiana locale.

        Demnach soll die Region erhalten bleiben, um die italienische Kultur in Südtirol zu schützen, was ich für totalen Schwachsinn halte.

      2. artim avatar
        artim

        Es kommt aber auch vor, dass mit “Alto Adige” das “Trentino” (mit)gemeint wird.

  4. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Lesenswert der Kommentar von Luigi Spagnolli zum Thema auf Salto.

  5. artim avatar
    artim

    Wir sollten uns vielleicht mal ehrlich machen. Dass diese und viele andere (post-faschistische) Positionen in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten in Südtirol in der breiten Öffentlichkeit, in den Medien und in der Politik meist (bewusst) ignoriert und erst recht nicht thematisiert worden sind, gehört auch zur Wahrheit. (Leider stellt BBD da eine Ausnahme dar).
    Man denke nur an Melonis martialisches Posting auf Facebook seinerzeit. Im Zusammenhang mit der möglichen Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für eigene nationale Minderheit in Italien meinte sie, die Lösung des seit 100 Jahren bestehenden Problems bestehe durch Austreibung, einen Marsch aller Südtiroler durch den Brennertunnel.

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