Die Europaregion namens Tirol-Südtirol/Alto Adige-Trentino wächst immer weiter und spürbarer zusammen. So müssen jetzt Schulen grenzüberschreitende Klassenfahrten jedes Mal bei der Quästur in Bozen melden und polizeilich genehmigen lassen. Will zum Beispiel eine Klasse von Gossensass über die (wohlgemerkt »nicht mehr existierende«) Grenze nach Gries am Brenner »verreisen« (laut Google Maps 14,8 km) braucht es zuerst die Einwilligung der Staatsgewalt. Dadurch wird die grenzüberschreitende Freundschaft gefördert — eine eindeutige Verbesserung, wie wir sie seit 70 Jahren nicht mehr gekannt haben.
Von einem Leserbrief auf diese bedeutende Neuerung aufmerksam gemacht, habe ich am 28. Dezember das Deutsche Schulamt angeschrieben und noch am selben Tag Auskunft erhalten:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in einem Leserbrief (“Fahrt ins Ausland”), welcher im Wochenblatt ff (Nr. 51-52 vom 23. Dezember 2010) abgedruckt wurde, ist die Rede von einer Meldepflicht für grenzüberschreitende Klassenfahrten. Will ein Lehrer einen Ausflug nach Nordtirol oder München organisieren, muss er – soweit ich das verstehe – in Hinkunft bei der Polizei in Bozen um Erlaubnis bitten. Was ist an dieser Information dran?
Bei dieser Gelegenheit möchte ich weiters in Erfahrung bringen, ob es stimmt, dass Klassenfahrten ins nördliche Tirol (bzw. allgemein ins Ausland) dadurch erschwert werden, dass die Aufenthaltsgenehmigungen und Ausweispapiere von Zuwandererkindern nur innerstaatliche Gültigkeit haben, für sie also “Schengen” keinerlei Auswirkungen hat. Das stünde freilich im Gegensatz zum in Sonntagsreden häufig bemühten Hinweis, die Grenze existiere nicht mehr. Es wäre schade, wenn junge Zuwanderer zu Hause bleiben müssten oder Klassenfahrten ganz entfielen, nur weil absurde Regelungen dies so wollen.
Ich danke im Voraus für eine Stellungnahme.
Die Antwort:
Sehr geehrter Herr Constantini,
mit der Verabschiedung der neuen Gesetzesverordnung Nr. 135/2009 zur Anpassung an die EU-Regelung Nr. 444/2009 wird die Pflicht der Ausstellung eines Einzelpasses nach dem Grundsatz “Eine Person – ein Pass” vorgesehen und zwar unabhängig vom Alter des Antragstellers. Seit dem 25. November 2009 benötigen Minderjährige mit italienischer Staatsbürgerschaft für die Reise ins Ausland einen gesonderten Reisepass bzw. einen geeigneten Identitätsnachweis. Die bisher ausgestellten Reisepässe sind von den neuen Bestimmungen nicht betroffen; sie bleiben bis zum Verfallsdatum des Passes gültig. Die neuen Bestimmungen werden also nur für die neuen Anträge angewandt. All die geltenden Bestimmungen über den Kollektivpass und über die Geburtsurkunde zur Ausreise von Minderjährigen bleiben unverändert.
Insbesondere für die Schulen von Interesse ist, dass Jugendliche unter 14 Jahren nur mehr dann in Begleitung von Personen, die nicht die Erziehungsberechtigten sind, ins Ausland reisen dürfen, wenn die Quästur aufgrund der Einwilligung der Erziehungsberechtigten die sogenannte “dichiarazione di affido” ausstellt (bis November 2009 galt diese Pflicht nur für Minderjährige unter 10 Jahren).Minderjährige unter 14 Jahren mit italienischer Staatsbürgerschaft, die in Begleitung einer anderen Person als einem Elternteil, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormund (gemäß Angabe im Reisepass) reisen, müssen somit bei der Ausreise aus Italien besondere Voraussetzungen erfüllen: Wie oben beschrieben, müssen sie eine Erklärung (dichiarazione di affido) der lokalen Polizeidienststelle (Quästur) mit sich führen. Ohne diese Genehmigung können sie das italienische Staatsgebiet nicht verlassen. Diese Einschränkung gilt nur für Personen mit italienischer Staatsbürgerschaft; Minderjährige anderer Nationalitäten sind davon nicht betroffen, da für Ausländerkinder die Bestimmungen ihres Herkunftslandes anzuwenden sind.
Die neuen Bestimmungen wurden zur Bekämpfung von Kindesentführungen, insbesondere bei getrennten Eltern, aber auch zur Bekämpfung des Menschenhandels mit Minderjährigen erlassen. Dadurch wird mehr Schutz für die Identität des einzelnen Bürgers gewährleistet und demzufolge mehr Sicherheit für die reisenden Kinder.
In der Anlage finden Sie die Mitteilung des Schulamtsleiters vom 17. November 2010, welche in diesem Zusammenhang für Sie von Interesse sein könnte. Die genannte Mitteilung zu den Klassenfahrten ins Ausland ist samt Anlage auch auf der Homepage des Deutschen Schulamtes […] zu finden.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Clara
Amt für Schulordnung 16.1 Ufficio Ordinamento scolastico
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