Es ist der absolute Wahnsinn, ich weiß noch immer nicht, ob ich hysterisch lachen oder weinen soll… oder vielleicht doch beides gleichzeitig.
Aber von vorn: Vor wenigen Tagen hatte der Journalist Hanno Settele einen Ausschnitt des ff-Titelblatts kommentiert, das mit einer — nennen wir es — äußerst provokanten These daherkommt:
Faschistische Schule: Warum nicht alles schlecht war
— ff-Titelseite vom 9. September
Alex Dellantonio, seinem Twitter-Profil nach »Südtiroler im Exil«, hatte darauf aufmerksam gemacht:
So ein Glück, dass meine Großeltern ein Leben lang weder Walsch noch Deitsch schreiben konnten, darüberhinaus gedemütigt, verprügelt und ihrer Muttersprache beraubt wurden. Aber klar, war nicht alles schlecht.
— Alex Dellantonio
Doch es wird leider nicht besser, wenn man das Heft aufschlägt und den Beitrag liest, in dem Chefredakteurin Alexandra Aschbacher von einem Gespräch mit der — ähm — Bildungshistorikerin Annemarie Augschöll (Uni Bozen) erzählt. Es ist vielmehr der klare Beweis, dass Differenzierung auch viel zu weit gehen kann. Differenzierung der Differenzierung willen, die hier selbst den kleinsten Nachweis schuldig bleibt, was jetzt nicht schlecht gewesen sein soll.
So wird zum Beispiel ein Mann genannt, der mit der faschistischen Balilla-Jugend habe nach Rom fahren dürfen. Wunderbar.
[S]ie bekamen Süßigkeiten und Kakao und allerhand zum Essen, das sie sonst nie bekommen hätten.
Oh wow, das macht den Faschismus viel erträglicher.
Die Lehrerinnen seien zudem »nicht wirklich bös« gewesen, manche Schülerinnen sogar in den Arm genommen worden. Und sonst? Ja — Freiräume habe es für die Kinder gegeben, weil die Eltern dagegen waren, dass sie in der faschistischen Schule etwas lernen.
Dieser passive Widerstand wird sogar stigmatisiert, wenn es heißt
Die Eltern haben die Kinder nicht unterstützt und motiviert etwas zu lernen in dieser Schule. […] Wohl auch in einer Haltung der Resistenz gegen das Bemühen der Schule im Sinne einer Italianisierung und Faschisierung der jungen Generation.
Woanders würde man es feiern, doch in Südtirol werden implizit die Eltern dafür mitverantwortlich gemacht, dass der Faschismus eine Generation von (nicht nur funktionalen) Analphabetinnen hinterlassen hat.
Die faschistischen Lehrerinnen — »die wohl wichtigsten Akteure im Italianisierungsprozess«, wie immerhin betont wird — hätten es aber »gut gemeint«, mitunter geweint, weil die Kinder »immer nur Deutsch geredet« haben.
“Auch in diese Perspektive”, sagt Augschöll, “muss man sich mal einfühlen.”
Na sicher. So wie in die der Wehrmachtsoldaten in Polen und Russland, bitteschön. Haben vielleicht auch geweint. Die ordentliche Beschäftigungspolitik der Nazis nicht vergessen.
Was von Augschöll und Aschbacher an Zeugnissen geliefert wird, ist sowas von dünn, dass es kaum zur Anekdote reicht. Geschweige denn als Grundlage zur Neubewertung dessen, was ohne Witz als »Denkdiktat der kollektiven Erinnerung« bezeichnet wird. Hätte es ein NPD-Blatt schöner formulieren können?
Zur Gegenwart: Laut Augschöll müssen wir das Kapitel »endlich aufarbeiten« — was wohl heißt, dass wir uns im Sinne eines zweifelhaften Verständnisses von Zusammenleben an die (angeblich) schönen, guten Seiten des Faschismus erinnern sollen.
Vor allem aber stellt Augschöll am Ende noch die Frage: Warum kommen wir nicht mit der mehrsprachigen Schule weiter? “Weil immer noch zu viele tradierte Erfahrungen, Erzählungen und Erinnerungen in unseren Köpfen herumschwirren, die nie richtig und offen diskutiert werden, auch viele Ängste, die aus dem Faschismus stammen.”
Die Verharmlosung des Faschismus wäre dann wirklich die absurdeste Blüte, die die Obsession einiger Südtirolerinnen mit der mehrsprachigen Schule hervorgebracht hat.
Aber klar — wenn schon die faschistische Schule nicht so schlimm war, was sollten wir uns dann vor der Immersion fürchten? Das hat schon was.
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