Wenn EU-Mitgliedsstaaten Maßnahmen beschließen wollen, die die Bargeldnutzung einschränken, sind sie im Prinzip dazu verpflichtet, vorab bei der Europäischen Zentralbank (EZB) eine — nicht bindende — Stellungnahme einzuholen. Das haben während der letzten Jahre Spanien, Griechenland oder Bulgarien gemacht. In all diesen Fällen hat die EZB vor einer exzessiven Einschränkung des Rechts auf Bargeldnutzung, vor unverhältnismäßig hohen Strafen sowie vor einer Diskriminierung zwischen In- und Ausländerinnen gewarnt.
Die italienische Regierung von Giuseppe Conte hatte die EZB allerdings nicht um ihre Einschätzung gebeten, bevor sie das Limit für Bargeldzahlungen ab Juli 2020 auf 2.000 € und ab Jänner 2022 auf nur noch 1.000 € herab- und die Strafen auf bis zu 50.000 € hinaufsetzte. Weshalb 2019 eine Rüge aus Frankfurt in Rom eintraf, die dann praktischerweise bereits eine Art nicht erbetene Stellungnahme enthielt.
Ich muss zugeben, dass ich irgendwie unbewusst der Erzählung (oder gar Verschwörungstheorie?) erlegen war, wonach die Banken, einschließlich der Zentralbanken, eine Art Agenda verfolgten, um das Bargeld mittel- bis langfristig abzuschaffen. Demgegenüber klingen die Argumente der EZB gegen eine unverhältnismäßige Beschränkung des Bargeldverkehrs geradezu vernünftig und wohltuend:
- Vor- und Nachteile einer Begrenzung (sowie auch des konkret anvisierten Limits und der Höhe der Strafen) seien behutsam gegeneinander abzuwägen.
- Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel werde fast überall niederschwellig akzeptiert, ermögliche Transaktionen in Echtzeit und erleichtere den Menschen die Kontrolle über ihre Ausgaben.
- Es sei dabei die einzige Zahlungsmethode, die gesetzmäßig keiner Transaktionsgebühr unterworfen sein dürfe.
- Ferner bedürften Bargeldzahlungen keiner funktionierenden technischen Infrastruktur, einschließlich der damit einhergehenden Investitionen, und seien immer durchführbar — während elektronische Zahlungsmethoden für Ausfälle anfällig seien.
- Nicht zuletzt erleichterten Bargeldzahlungen die Inklusion der gesamten Bevölkerung, die somit unkompliziert Zahlungen durchführen könne.
Natürlich spricht sich die Europäische Zentralbank damit nicht gegen alternative Zahlungsmethoden und auch nicht grundsätzlich gegen Bargeldbegrenzungen aus, die sie aber sinnvollerweise höher ansetzen würde.
Die italienische Regierung holte aber vor der Umwandlung des fraglichen Dekrets in ein Gesetz keine spezifische Stellungnahme mehr ein und ließ sich auch von den bereits gemachten Anmerkungen der EZB keineswegs beeindrucken. Daher steht uns schon bald eine erneute Senkung der Bargeldgrenze ins Haus.
Man darf jedoch gespannt sein, ob der aktuelle italienische Ministerpräsident Mario Draghi, der immerhin mehrere der ähnlich lautenden Stellungnahmen an andere Staaten unterschrieben hat, die Grenzen für Bargeldzahlungen wieder anheben wird.
Einer Erhebung des Europäischen Verbraucherzentrums zufolge gibt es derzeit in 21 von 29 berücksichtigten Ländern (Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Irland, Island, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern) für Privatpersonen keine Bargeldlimits unterhalb von 10.000 €.
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