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Tageszeitung macht aus Trottel einen Elefanten …
… und führt auch gleich die Sippenhaftung ein

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Die Neue Südtiroler Tageszeitung nimmt es mit journalistischer Ethik 01 02, mit Persönlichkeitsrechten 01 02, mit präzisen Recherchen 01 02 und mit der Orthographie 01 grundsätzlich nicht so genau. Neu scheint, dass die Redakteure obige unselige Praktiken nun auch noch mit anderen unseligen Praktiken wie Sippenhaftung, Nicht-Geschichten, noch billigerem Sensationsjournalismus und dergleichen kombinieren.

Von Anfang an: Am 13. Juni bringt die Zeitung eine große Geschichte unter dem Titel “Stupido Leghista” (ich setze hier bewusst keinen Link zum Artikel). Es geht darin um ein Social-Media-Posting eines SVP-Lokalpolitikers, das sich gegen Lega-Landesrat Massimo Bessone richtet, der Anfang Juni 2021 eine Baustelle beim Becherhaus (3195 m ü. A.) besichtigt hatte.

Der Trottl hot fan an Berg oder an Hitte soffl Ohnung wia a Kua fan an Wlan. Und zu Fuaß kammp er in Lebm nia do aui. Der mog die Händ übern Kopf zomschlogn dassers in Heli ein und aus derstiegn isch der Knietl.

Und anlässlich eines Bessone-Postings, in dem dieser bedauert, heuer (2019) nicht als hl. Nikolaus verkleidet Kinder besuchen zu können, schrieb derselbe Mann:

San Nicolò viveva a Myra, in un posto che oggi si trova in Turchia. Tra l’altro salvava naufragati dal mare mediterraneo. Vedi l’ironia, stupido Leghista?

Redakteur Matthias Kofler spricht in diesem Zusammenhang von einem “krasse[n] Fall von digitaler Diffamierung”, von “verbale[n] Entgleisungen”, “übelster Beschimpfung” und “besonders heftige[n] Postings” und suggeriert, dass die zuvor von der SVP lancierte Sensibilisierungskampagne gegen Hass im Netz Schaden nehmen würde.

Hass im Netz ist in der Tat ein Problem, das bekämpft werden muss. Wenn Frauen eine Vergewaltigung gewünscht wird, Politiker mit dem Tod bedroht werden, Menschengruppen pauschal als minderwertig bezeichnet werden oder das Ertrinken von Migrantinnen im Mittelmeer herbeigesehnt oder gar gefeiert wird, sind wir als Gesellschaft gefordert, solchen Entgleisungen entschieden entgegenzutreten. “Trottl” und “Knietl” hingegen sind zwar keine Liebesbezeugungen, aber in einem dialektalen Kontext jetzt so ziemlich die harmlosesten Beleidigungen, die mir einfallen. Klar hätte man sich diese Kommentare sparen können – wenngleich der Vergleich mit der Kuh und dem W-Lan grenzgenial ist – aber sie quasi zu einem Paradebeispiel für Hass im Netz hochzustilisieren und sie als “besonders heftig”, “übelst” und “krass” zu bezeichnen, verharmlost irgendwie das Phänomen. Dies ist für mich ein weiteres Indiz, dass uns in vielen Belangen die Mitte abhanden kommt, wir Nuancen nicht mehr wahrhaben wollen und alles und jeden in ein Extrem verfrachten.

Ein weiterer Aspekt der Geschichte ist, dass der so Betitelte einer Partei angehört, die regelmäßig xenophobe, rassistische, sexistische und andere menschenverachtende Botschaften und somit Hass – auch über das Internet – verbreitet und Bessone selbst in diesem Sinne treu der Parteilinie und seinem Capo folgt (Beispiele: 01 02 03 04 05). Es stellt sich also die Frage, ob die Bezeichnung Trottel, für jemanden, der Todesstrafe und Selbstjustiz befürwortet, Menschen ausländischer Herkunft pauschal verunglimpft und sich über Minderheiten in verächtlicher Art und Weise lustig macht, eigentlich nicht sogar recht wohlwollend ist.

Und tatsächlich soll eine fremdenfeindliche Stellungnahme Bessones der Auslöser für die Antipathie des SVP-Lokalpolitikers gegenüber dem Landesrat gewesen sein. Ersterer hat nämlich 2016 als Skilehrer mit ein paar Kollegen einen kostenlosen Skinachmittag für Flüchtlinge organisiert. Diese Geste hat dem damaligen Brixner Gemeinderat Bessone gar nicht gefallen und er hat die Aktion der Freiwilligen öffentlich kritisiert. So zumindest begründet der SVP-Lokalpolitiker in einer schriftlichen Entschuldigung an Bessone seine beleidigenden Postings.

Den Text der Entschuldigung kennen wir deshalb, weil die Tageszeitung in aller Tatsächlichkeit der Nicht-Geschichte am 25. Juni eine zweite volle Seite gewidmet hat. Bessone ist laut diesem Bericht mit der Entschuldigung nicht zufrieden und meint, sie hätte alles nur noch schlimmer (geht das denn überhaupt?) gemacht: “Ich hätte mir zumindest erwartet, dass er, eventuell auch in Begleitung seines Vaters, zu mir kommt, um sich persönlich bei mir zu entschuldigen.” Mit seinem Vater? Ja, genau, dass hatten wir noch vergessen. Laut Tageszeitung hätte der Fall – so steht es im Artikel vom 13. Juni – besondere Brisanz, da der SVP-Lokalpolitiker der Sohn eines hohen SVP-Funktionärs und der ehemalige (!) Freund einer SVP-Landtagsabgeordneten sei. Letztere sah sich dann auch genötigt, sich von den Aussagen ihres Ex-Freundes (!) zu distanzieren und Bessone erwartet offenbar auch, dass ein mündiger, erwachsener Mann bei einer Entschuldigung von seinem Vater begleitet wird.

Gegenüber der Tageszeitung hat Landesrat Bessone dann aber doch noch eine großartige Idee: “Und als Zeichen der Widergutmachung hätte er eine Spende für einen gemeinnützigen Verein machen können.” Bitte, bitte, lieber M. T., wenn du das hier liest, spende einen kleinen Beitrag an Open Arms oder Sea-Watch und schicke Bessone die Spendenbestätigung zu.

Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06



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Comentârs

One response to “Tageszeitung macht aus Trottel einen Elefanten …
… und führt auch gleich die Sippenhaftung ein

  1. Domprobst avatar
    Domprobst

    Ich versuche das Ganze mal auf den Punkt zu bringen und dabei die Situation der führenden Partei 2021 (= des Landes?) in Südtirol zu umschreiben:
    Der Sohn eines hohen Parteifunktionärs, selbst Kommunalpolitiker derselben Volkspartei, beleidigt ein Mitglied des Landtages, das einer anderen Partei angehört, die für ein menschenverachtendes Weltbild steht, wegen einer menschenverachtenden Aussage zu einem Zeitpunkt als die menschenverachtende Partei (prima gli italiani!) noch ein absolutes No-Go für die Partei des Kommunalpolitikers und dessen Vater war.
    Es wendet sich das Blatt, die Volkspartei verliert an Boden und die prima-gli-italiani-Partei gewinnt überraschend viele Stimmen. Zu diesem Zeitpunkt tritt eine neue Lichtgestalt der Volkspartei ins Rampenlicht, die – entgegen der Verluste der Volkspartei, welcher sie ebenfalls angehört – überraschend viele Stimmen erhält und in den Landtag einzieht. Trotz ihrer Mühen während des Wahlkampfs findet sie die Zeit mit dem Kommunalpolitiker gemeinsam Harley zu fahren und den legendären Satz “Salvini nein – Lega ja” unters Volk zu bringen. Die beiden verlieben sich (nicht Salvini, sondern der Lokalpolitiker; mit Salvini, wer weiß, vielleicht später…) und gründen eine Partnerschaft aus welcher später ein gesundes Baby hervorgeht (Glückwunsch!), das früher als andere Südtiroler auch den Landtag von innen sehen darf.
    In der Zwischenzeit koaliert die Volkspartei des Vaters und des Sohnes mit der menschenverachtenden Partei, wobei bei letzterer einer nach ein paar Monaten wieder austritt und eine neue Partei gründet. Die neue Lichtgestalt fällt durch Sprünge von der Landtagstreppe, ungewöhnlich überzogenen und damit teuren Kontakt “zu die Leit” und spärlicher Schuhbekleidung auf und dadurch, dass sie einer Steuerberaterin öffentlich erklärt nichts von Bilanzen zu verstehen.
    Eine nicht erstklassige täglich erscheinende Zeitung offenbart was tatsächlich an des Südtirolers Seele rüttelt. Die Lichtgestalt, trotz Kind und (geliehenem Harley-Helm?), hat die Partnerschaft mit dem Lokalpolitiker beendet (oder wer auch immer) und will von den Posts des Ex nichts wissen (Wahlen kommen…). Das interessiert die Leute, die Geschichte zwischen dem Harley-Fahrer und dem Helikopter-Gast ist reine Nebensache.
    Zur Krönung des Scripts, das reif für Hollywood ist, verlangt der nationalistische Politiker (prima gli italiani), dass sich der junge Kommunalpolitiker im Beisein seines Vaters (Parteifunktionär) bei ihm entschuldigt, was dieser dann nicht macht und nur ein e-mail schickt, das (zufällig) wieder in die Hände der nicht erstklassigen Zeitung gelangt.
    Ich tippe auf mindestens 6 Oscars, nein mehr! Die Zukunft der Südtiroler Bürger bei solchen Politikern bereitet mir jedoch Sorgen.

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