Linguistic Assertiveness for Minority Language Speakers — kurz Listen — ist ein von der EU im Rahmen von Erasmus+ gefördertes Projekt, das das Sprachbewusstsein von Sprachminderheiten stärken soll. Insbesondere sollen dabei Sprecherinnen von kooffiziellen, gefährdeten, indigenen, regionalen oder Minderheitensprachen Strategien erlernen, um freundlich aber bestimmt auf ihrer Sprache zu beharren. Die Tendenz, unter gewissen Umständen und in bestimmten Settings vorauseilend die Sprache zu wechseln — etwa wenn das Gegenüber oder auch nur anwesende Dritte die nationale Mehrheitssprache sprechen — wird als »Unterwürfigkeit« (submissiveness) und »Selbstzensur« bezeichnet, die der Minderheitensprache schaden. Da es sich dabei jedoch um Gewohnheiten und erlernte Verhaltensweisen handelt, könne man sie auch wieder ablegen.
Erprobt wird die bewusste Vermittlung des Strategiewechsels derzeit in Gebieten mit so unterschiedlichen Voraussetzungen wie Cymru/Wales (Walisisch), Fryslân (Friesisch), Irland (Irisch) und Rumänien (Ungarisch).
Einige Zitate, die von den Projektbetreiberinnen auf Facebook und Twitter veröffentlicht wurden, geben Aufschluss darüber, was man unter Sprachbeharrung, wie ich den Begriff der linguistic assertiveness unwissenschaftlich übersetzt habe, verstehen kann:
…wenn ich ein Treffen im Gebiet der Samen oder mit Regierungsvertreterinnen habe, erwarte ich, dass sie Übersetzerinnen dabei haben. Wenn nicht müssen sie ein anderes Mal wiederkommen.
Ich starte Konversationen immer in meiner eigenen Sprache und glaube, dass es in der Verantwortung der Gegenseite ist, mich zu informieren, wenn sie mich nicht versteht.
Ich fahre auch in meiner Sprache fort, wenn ich weiß, dass sie mich verstehen, auch wenn sie mir in einer anderen Sprache antworten.
Von mir übersetzt
Interessant ist übrigens auch, dass neben den Universitäten von València und Transsilvanien (Siebenbürgen) sowie unterschiedlichen Sprachförderungsvereinen der betroffenen Minderheitenregionen auch das staatliche italienische Forschungsinstitut CNR an dem Projekt beteiligt ist. Trotzdem wurde offenbar keine Minderheit auf italienischem Staatsgebiet konkret in das Projekt eingebunden.
Auch hier in Südtirol ist ja bekannt, dass Menschen beim geringsten Widerstand — oder selbst um einem potenziellen Widerstand aus dem Weg zu gehen — ins Italienische wechseln.
Eine gewisse »Beharrlichkeit« habe ich mir schon vor Jahren angeeignet und damit fast nur positive Erfahrungen gemacht. Gerade in Umgebungen, wo man Deutschkenntnisse weniger vermutet, trifft man oftmals auf unerwartet offene Reaktionen und wird in den meisten Fällen zumindest verstanden. Andernfalls hat man durch die deutsche Anrede wenigstens die Erwartung deponiert, in dieser Sprache kommunizieren zu können. Am Anfang gilt es natürlich ein gewisses Unbehagen zu überwinden, wie auch in der Projektbeschreibung von Listen nachzulesen ist. Dann aber geht es fast von allein. Zugewanderten aus Italien oder dem nicht deutschsprachigen Ausland wird damit auch vermittelt, dass die deutsche Sprache hierzulande nicht entbehrlich, ja fast vernachlässigbar ist. Es kann für einige vielleicht sogar der fehlende Ansporn sein, sie zu erlernen — und bietet ihnen dann die Möglichkeit, sie zu praktizieren. Wenn wir hingegen all unsere Energie darauf verschwenden, Anderssprachige möglichst wenig in Kontakt mit der deutschen oder der ladinischen Sprache kommen zu lassen, schließen wir diese Menschen aus und tragen gleichzeitig — bewusst oder unbewusst — zur Sprachverdrängung bei.
Wenn wir sprachbeharrend sind, tun wir im Grunde nichts anderes, als Sprecherinnen der staatsweiten Mehrheitssprache ohnehin und auf völlig natürliche Weise tun.
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