Ende letzten Jahres hatte ein römisches Gericht verfügt, Facebook müsse die (wegen Verstößen gegen die Geschäftsbedingungen vom Netz genommene) Seite der faschistischen CasaPound umgehend wieder freischalten. Dagegen legte der Koloss aus Menlo Park Einspruch ein — und kassierte nun erneut eine Niederlage.
Facebook hatte unter anderem vorgebracht (vgl. Verfügung, Pkt. Nr. 19), dass die Bezugnahme auf Bestandteile der faschistischen Ideologie der Unterstützung einer mit dem sozialen Netzwerk nicht kompatiblen Politik gleichkomme. Dies allein rechtfertige eine Kündigung. Der rassistische und diskriminierende Charakter des Faschismus sei ein Fakt und könne nicht nur auf die Rassengesetze von 1938 zurückgeführt werden, sondern gehe schon aus früheren Aussagen von Mussolini und aus dem Umgang mit der afrikanischen Bevölkerung in den Kolonien hervor. Man könne die faschistischen Ideale also nicht vom rassistischen und diskriminierenden Charakter trennen, der sie historisch gekennzeichnet habe.
Die faschistische Bewegung hatte hingegen darauf hingewiesen (vgl. Verfügung, Pkt. 6), dass sie eine »aktualisierte« Version des historischen Faschismus verkörpere, die ausschließlich auf seine Sozialpolitik Bezug nehme, während man die Rassengesetze öffentlich verurteilt habe.
Diese Ansicht machte sich das Gericht insoweit zueigen (vgl. Verfügung, Pkt. 24), als es behauptet, man könne sich Inhalte und Werte aneignen, auch indem man die im breiten historischen Repertoire und in der Menschheitserfahrung bereits verfügbaren Inhalte und Werte auswählt, überarbeitet und verschiedentlich miteinander kombiniert. Dies beschränke sich nicht auf die Auswahl zwischen fertigen, schon kodifizierten Systemen — weshalb man vom Bekenntnis zum Faschismus nicht automatisch Rassismus und Diskriminierung ableiten könne.
Dass der Faschimus auch Gutes gemacht habe und dass man den guten vom schlechten Faschismus trennen und unterscheiden könne, ist jetzt in Italien also auch gerichtlich bestätigt. Man kann sich als Faschistin bezeichnen, ohne sich damit zur Unterstützerin einer menschenverachtenden Ideologie zu machen — weil damit ja vielleicht nur ein Bekenntnis zu einer »ordentlichen Beschäftigungspolitik« oder zu pünktlichen Zügen gemeint sein könnte.
Das halte ich für einen neuen Höhepunkt in der an Höhepunkten nicht armen, traurigen Geschichte des fahrlässigen Umgangs mit dem Faschismus in Italien. Vor einigen Jahren hatte sogar das Innenministerium CasaPound eine Art Persilschein ausgestellt. Im Februar 2019 wurde in Bozen ein Verfahren gegen die faschistische Bewegung archiviert, weil man den Angeklagten einfach glaubte, dass ihr diskriminierendes Plakat nicht diskriminierend war. Und selbst der faschistische Gruß wurde 2018 vom Kassationsgericht »historisiert«.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass faschistische Umtriebe selbst dann geduldet würden, wenn sich eine neue faschistische Partei an die Macht putschte. Vermutlich würden Gerichte dann feststellen, dass Mussolini weiterhin tot ist und deshalb von Wiederbetätigung nicht die Rede sein könne.
Cëla enghe: 01
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