Der öffentliche Raum gehört uns allen, die wir hier leben. Als Eigentümerinnen und Eigentümer ist es unsere Aufgabe, in ihn eingeschriebene Widmungen kritisch zu prüfen. Das Hinterfragen von Geschichtsbildern, die sich in Denkmälern oder Straßennamen manifestieren, ist Ausdruck einer selbstbewussten demokratischen Gesellschaft.
Voraussetzung dafür ist es, die stets in der Debatte um Umwidmungen bemühte Rede von der Auslöschung der Geschichte als das zu benennen, was sie ist: Scheinargument einer kulturpessimistischen Bewahrungsfraktion. Wurde mit den 1945 erfolgten Umbenennungen der zahlreichen Adolf-Hitler-Plätze Geschichte ausgelöscht? Wird Columbus aus der Weltgeschichte verschwinden, wenn der Platz in Wien-Favoriten einst anders heißt?
Zusatztafeln zur Erläuterung von Straßenschildern, wie sie nun mancherorts angebracht wurden, sind eine gute Idee. Da die Tafeln aber auf Stadtplänen, Onlinekarten und Postsendungen unsichtbar und also wirkungslos bleiben, sollte das Prinzip umgekehrt werden und die Tafeln erst nach erfolgter Umbenennung angebracht werden, um Auskunft über die Benennungsgeschichte der Straße zu geben.
Erklärende Zusatztafeln sind auch [bei Denkmälern] unzureichend: Neben der dominanten Ästhetik der Denkmäler verkommen sie zu unscheinbaren Zusatztaferln, räumlichen Fußnoten in der gesellschaftlichen Aushandlung von Geschichtsbildern. Beschränken wir uns auf die bloße Setzung solcher Zusatztafeln, vertun wir eine Chance, denn problematische Denkmäler bergen das Potenzial, Orte der Auseinandersetzung mit Geschichte zu sein – wenn wir uns trauen, sie zu solchen zu machen.
Die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen und die Sozialistische Jugend fordern per Petition die Entfernung der Statue [Karl Luegers in Wien]. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, die Statue sollte ins Museum – oder in einen Skulpturenpark. Der verbleibende Rest des Denkmals, etwa der mit vermeintlichen Errungenschaften Luegers bebilderte Sockel, bietet sich dazu an, zur künstlerischen Umgestaltung und Kontextualisierung ausgeschrieben zu werden.
Eduard Freudmann, Künstler und Lehrender an der Akademie der Künste Wien, in Mehr Mut zum Denkmalsturz!, der Standard, 12. Juli 2020
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