[D]er Tod von George Floyd hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Zu seinem eigenen Entsetzen auch beim Außenbeauftragten der Europäischen Union, dem greisen Spanier Sepp Borrell. Seine an anderer Stelle vorgetragene Ansicht, die USA hätten zur Nationsbildung lediglich vier Indianer umnieten müssen, prädestiniert den geistigen Nachfahren spanischer Kolonialisten unbedingt für einen Kommentar zum Thema Rassismus.
Die brutale Polizeigewalt in den USA hat er jetzt — zu seiner eigenen Überraschung — einigermaßen treffsicher als »Machtmissbrauch« beschrieben. Ich bin überzeugt, dass irgendetwas ihn für diesen Kommentar prädestiniert. Seine Beschreibung der brutalen Polizeigewalt während des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums als »Fake News« ist es nicht. Denn die blutige Niederschlagung friedlicher Wähler durch die paramilitärisch und postfaschistisch inspirierte Guardia Civil, deren massiver Einsatz von Schlagstöcken und Gummigeschossen an einem Tag 1.000 Verletzte produziert hat, ist durch Bewegtbilder bestens dokumentiert.
Ich setze dennoch auf das visionäre Potential des Mannes. Immerhin hat er schon 2017 — direkt nach dem Referendum — vorhergesagt, ganz Katalonien müsse einmal komplett desinfiziert werden. Und da war Covid-19 noch nicht einmal erfunden.
Und siehe da: Der flotte 73-jährige Verbrecher (Insiderhandel) fand letzte Woche — zu seiner eigenen Überraschung —, dass unverhältnismäßige Polizeigewalt hier, in den Vereinigten Staaten und überall denunziert und bekämpft werden müsse.
Super!
Da »überall« mir natürlich etwas zu unübersichtlich und die Vereinigten Staaten viel zu weitläufig sind, rücke ich mal persönlich an zum Denunzieren und Bekämpfen — hier. Und finde meinerseits: Dass die polizeilichen Übergriffe auf G20-Demonstranten und Journalisten unter Hamburgs damaligem Bürgermeister Olaf Scholz, unserem amnesie- oder krisenbedingt spontan resozialdemokratisierten Finanzminister, nicht folgenlos bleiben sollten. Ebensowenig wie die monatelangen Gewaltexzesse und Gummigeschossmassaker, die französische Un-Ordnungskräfte nacheinander an demonstrierenden Gelbwesten, Studenten, Gymnasiasten, Feuerwehrleuten, Pflegern und Rentenreformgegnern verübt haben.
Allein im ersten Halbjahr 2019 wurden über 3.000 Verletzungen gezählt, davon 314 am Kopf. 24 junge Menschen, die für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände auf die Straße gegangen sind, haben ein Auge verloren, fünf eine Hand. Wenn in europäischen Gesellschaften Gewalt so gut gedeiht, dass sie gegen Tausende von Demonstranten nahezu ungestraft verübt werden kann, wenn Rassismus so gut gedeiht, dass Polizeikräfte in Frankreich, Belgien oder Deutschland schwarze Bürger nahezu unbemerkt töten können — und wenn Ignoranz so gut gedeiht, dass hohe politische Vertreter wie Sepp Borrell so tun können, als gehe sie das alles gar nichts an, dann ist das nicht mehr mein Europa.
Vielleicht könnte der Rat, diese 27 Typen, die Sie da draußen gewählt haben, sich endlich einmal bequemen, den polizeilichen Einsatz von Kriegsgerät im selbsternannten Menschenrechtsparadies EU zu untersagen. Oder hilfsweise wenigstens das Antidiskriminierungsgesetz durchwinken, das er seit zwölf Jahren blockiert. Deutschland ist ja ab dem 1. Juli Ratspräsidentin. […]
Martin Sonneborn, EU-Abgeordneter der Partei, Videoansprache vom 13. Juni
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