Gestern Nacht hat der Landtag das Gesetz zur Eindämmung von Corona bei Beendigung des Lockdowns beschlossen, schon am frühen Nachmittag trat es in Kraft. Bei vollzählig zusammengetretenem Parlament stimmten der Vorlage 28 Abgeordnete (80%) zu, sechs enthielten sich und nur einer (Urzì) war dagegen.
Ohne die epidemiologische Sinnhaftigkeit im Detail bewerten zu können, halte ich das Gesetz auf so vielen Ebenen für wichtig und richtig. Unter anderem
- auf demokratischer Ebene, weil sie den Ausbruch aus einem System bedeutet, in dem ein Ministerpräsident fast autokratisch per Dekret regiert und seine Entscheide meist am Vortag (in der Nacht) über die sozialen Medien verkündet. An seine Stelle ist die offene Debatte im Landesparlament getreten, die schlussendlich auch noch zu einer breiten Zustimmung geführt hat.
- auf der Ebene der Grundrechte, weil bislang aufgehobene Freiheiten weitgehend wiederhergestellt werden.
- auf autonomiepolitischer Ebene, weil der bisherige Ausnahmezustand die Eigenregierung in weiten Teilen außer Kraft gesetzt hatte, ohne dass dafür in der Verfassung oder im Autonomiestatut klare Mechanismen vorgesehen gewesen wären. Es ist sinnvoll, der jeweiligen Situation vor Ort angepasste Maßnahmen treffen zu können.
- aus Sicht der Gesundheitspolitik, weil anstelle der Ausgangsbeschränkungen strenge Sicherheitsbestimmungen ergriffen wurden. Außerdem sind Mechanismen vorgesehen, um bei erneutem Anstieg der Infektionen schnell reagieren zu können. Dass die Öffnung den Wirtschaftsverbänden nicht schnell und weit genug geht, werte ich als Beweis dafür, dass sich die Landespolitik nicht hat von Interessensvertetungen vor sich hertreiben lassen.
- aus sozialer Sicht, weil die bisherigen Einschränkungen vielen Menschen nicht mehr zumutbar waren.
- auf wirtschaftlicher Ebene, weil trotz allem die Möglichkeit geschaffen wurde, unter vorgegebenen Voraussetzungen die Tätigkeit wiederaufzunehmen und somit die zu erwartende Verarmung abzumildern.
Jetzt wird es unheimlich wichtig sein, verantwortungsvoll mit der neuen Situation umzugehen. Insbesondere müssen wir ein Bewusstsein und eine Sensibilität für die vielen unserer Gesellschaft innewohnenden Abhängigkeitsverhältnisse und Hierarchien entwickeln, die dazu führen, dass Menschen die wiedererlangten Freiheiten als Zwang erfahren könnten. Ob sie sich bestimmten Gefahren aussetzen möchten oder nicht, können viele (etwa Arbeiterinnen) oft nicht frei entscheiden. Also muss neben die vielbeschworene Selbstverantwortung vor allem auch eine große Portion Empathie und Mitverantwortung treten.
Vielleicht sollte auch allen noch klarer vermittelt werden, dass die Pandemie keineswegs beendet, sondern lediglich eine neue Phase des Umgangs mit ihr eingeleitet wurde. Die erneute Öffnung bedeutet nicht, dass wir alle zu unseren alten Gewohnheiten zurückkehren müssen, solange wir nur die Vorschriften einhalten. Zuhause bleiben ist etwa weiterhin erlaubt, auch wenn es kein Zwang mehr ist.
Die römische Regierung hat gestern in der kurzen Zeit zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes bereits angekündigt, für die Arbeitssicherheit relevante Teile davon vor dem Verfassungsgericht anfechten zu wollen. Darauf will ich aber vorerst nicht weiter eingehen.
Cëla enghe: 01
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