In der Tagesschau auf RAI Südtirol wurde heute darüber berichtet, dass die Ordnungskräfte jetzt kurz vor Ostern verstärkt Kontrollen auf Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen durchführen und dass manche dabei auch etwas über die Stränge schlagen würden. Garniert wurde der Bericht mit Bildern eben dieser Kontrollen.
Sowohl bei der Staatspolizei als auch bei den Carabinieri waren Beamte mit einer – wenn ich als Pazifist und folglich Waffenbanause das richtig recherchiert habe – Beretta M12, also einer vollautomatischen Maschinenpistole, im Bild.
Es ist mir schon öfters aufgefallen, dass in Italien bei ganz gewöhnlichen Kontrollen Beamte mit Maschinenpistolen daneben stehen. Wozu? Wollen die einen erschießen, wenn man die Eigenerklärung oder den Führerschein nicht dabei hat? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das in Österreich einmal erlebt hätte – außer wenn zum Beispiel ein Banküberfall passiert ist und die Exekutive die Ausfahrtsstraßen absperrt und kontrolliert.
Muss man sich wirklich Respekt auf Schwanzvergleichsniveau verschaffen? Kann man Autorität nicht auch durch Sachlichkeit, Korrektheit und Freundlichkeit gepaart mit Kompetenz erreichen? Ich bin zwar ein Laie, aber sicherheitstechnische Notwendigkeit für Vollautomaten sehe ich bei solchen Gelegenheiten beim besten Willen keine. Vielmehr vermittelt eine derartige Ausrüstung ein Bedrohungsszenario, das es nicht gibt, was aber die ohnehin schon angespannte Situation weiter verschärft. Dabei wäre es doch Aufgabe der Behörden – neben der Kontrolle der Einhaltung der Regeln – dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung sich sicher fühlt und dass die Exekutivkräfte gerade im Krisenfall als Vertrauenspersonen wahrgenommen werden. Wenn ich kontrolliert werde und neben mir steht jemand mit einer Beretta M12 fühle zumindest ich mich alles andere als sicher und Vertrauen habe ich dann in solche Leute auch keines. Eher Angst vor ihnen.
Dass es auch anders geht, habe ich Minuten nach Ende des Berichts der Tagesschau zufällig auf Twitter entdeckt:
Das geht runner wie Öl! 😍👏 Hier mal ein Positivbeispiel aus Frankfurt, dass das mit dem Mindestabstand auch funktionieren kann. @Polizei_Ffm #coronavirus #covid19 pic.twitter.com/H2GibW2Mu5
— hessenschau (@hessenschau) April 10, 2020
Freilich gibt es auch in Deutschland genügend Fälle, wo – nicht nur in Coronazeiten – von Seiten der Polizei unangemessen reagiert wurde. Dennoch ist der atmosphärische Vergleich irgendwie bezeichnend. Man kann Regeln auch respektvoll und ohne Maschinenpistolen durchsetzen. Und in Anbetracht der deutschen Corona-Zahlen gelingt das im Moment auch recht gut.
Ich habe keine statistischen Belege dafür, aber das martialische Auftreten der Einsatzkräfte und auch der Einsatz des Militärs zu “Sicherheitszwecken” im Inland scheint mir schon ein italienisches Spezifikum zu sein. Wie gesagt – Beamte mit vollautomatischen Waffen wären mir bei Routinekontrollen in Österreich noch nie aufgefallen. Auch war ich unlängst in New York. Ich hätte mir ob des 9/11-Traumas nach wie vor eine massive Polizeipräsenz, zumindest an den neuralgischen Orten wie Ground Zero usw., erwartet. Fehlanzeige. Zumindest sichtbar gab es die nicht. Und schon gar keine Maschinenpistolen.
Bei einer Rundreise durch die Toskana vor einiger Zeit wiederum hat mich die Präsenz von schwer bewaffneten Einsatzkräften in den Städten richtiggehend bedrückt. Neben dem napoleonischen Anachronismus der Gendarmerie (aka Carabinieri) – also Armeeeinheiten mit Polizeibefugnis, die beispielsweise in Deutschland, Österreich und der Schweiz längst abgeschafft wurden, konnte man auch zahlreiche vollbewaffnete Soldaten an den von Touristen bevölkerten Plätzen sehen. Höhepunkt waren Soldaten mit vollautomatischen Waffen, die direkt am Eingang des Fiorentiner Domes standen.
Wiederum die Frage: Wozu? Gefühl der Sicherheit? Bei mir hat es das Gegenteil bewirkt. Schutz vor Anschlägen? Im und um den Dom tummelten sich tausende Menschen. Da kann man auch im Falle eines Angriffes nicht mit einer vollautomatischen Waffe um sich schießen. Ausdruck von Stärke? Bewaffnete Soldaten in Friedenszeiten in einer Stadt sind ein absolutes No-go und eher ein Ausdruck demokratischer Hilflosigkeit.
Jedenfalls werde und mag ich mich an solche Anblicke nicht gewöhnen.
Nachtrag 13.04.2020
In der gestrigen Tagesschau am Ostersonntag wurde darüber berichtet, dass die Glocken des Bozner Domes zwar zur Ostermesse läuteten, jedoch logischerweise keine Gläubigen vor Ort am Gottesdienst teilnehmen durften. Der Kommentar dazu im Bericht: “Militär kontrolliert auch hier die Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen.”
Scrì na resposta