Es ist eine Momentaufnahme, klar. Kann sein, dass sich noch alles ändert. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass in Südtirol — so wie in Italien — sehr viel falsch gelaufen ist und nach wie vor falsch läuft im Umgang mit der Pandemie. Und dass Österreich und Deutschland es (Stand jetzt!) besser hinbekommen haben. Wiewohl noch kein Ende in Sicht ist.
Dass das Virus nicht an Grenzen Halt macht, wissen wir. Was ist es aber dann, was ein bis dato so unterschiedliches Ergebnis erklären kann?
Bayern und Nord-/Osttirol hatten gegenüber Südtirol und dem Trentino einen zeitverzögerten Start in die heiße Coronavirus-Phase. Speziell im nördlichen Landesteil wurde zuerst auch einiges sträflich vernachlässigt, geradezu verschlafen. Stichwort Ischgl. Stichwort St. Anton. Dann aber wurden Maßnahmen ergriffen — und schon jetzt liegt das Wachstum der (ja: offiziellen, bestätigten) Infektionen deutlich unter jenem in Südtirol. Es kommt bereits zu einer ersten, hoffentlich nicht voreiligen Aufweichung der Restriktionen.
Bayern hat seine — übrigens weniger strengen — Maßnahmen noch später eingeleitet als Nord-/Osttirol, doch auch dort wurde bereits eine klare Bremsung erreicht. Infektionen und vor allem Todesfälle liegen in Relation zur Bevölkerungszahl sehr weit unter jenen bei uns.
Was war anders? Was ist ausschlaggebend? Ein besser vorbereitetes und eingespieltes Gesundheitssystem? Mehr Personal? Die Verfügbarkeit von gutem, brauchbarem Schutzmaterial? Die deutlich größere Anzahl an Intensivbetten? (Wobei es zumindest in Bayern noch nicht zu einer Auslastung gekommen zu sein scheint, bei der die vielen Intensivbetten ins Gewicht fallen würden.) Der Umgang mit Risikogruppen und Hotspots, speziell den Seniorenheimen? Wenn nicht die Anzahl, so die Zielgenauigkeit und Schnelligkeit der Testungen mit einer effektiveren Isolation von Verdachtsfällen? Die Zeitverzögerung und somit verlängerte Vorbereitungsphase? Umwelteinflüsse? Bevölkerungsstruktur?
Oder lediglich — was ich nicht (mehr) glaube — ein anderes Zählverfahren? Bayern hat rund 25 mal so viele Einwohnerinnen wie Südtirol, meldet aber nur 2,5 mal so viele Todesfälle. Faktor zehn. Wird sich das (hoffentlich nicht, für Bayern) noch ändern?
Wurde sich in Italien und auch in Südtirol zu sehr und einseitig auf »äußerliche« Maßnahmen, den sogenannten Lockdown (samt Denunziation) konzentriert, während ergänzende Schritte vernachlässigt wurden? Nirgendwo anders waren und sind die Einschränkungen inhaltlich wie zeitlich so ausgedehnt — und dennoch scheint dies nicht zu reichen, nicht den entscheidenden Unterschied zu machen.
Um eine nachträgliche, minutiöse Aufarbeitung werden wir sowieso nicht herumkommen. Dabei wird man nicht nur die offiziellen Covid-19-Opferzahlen berücksichtigen müssen, sondern (wie es ansatzweise bereits geschieht) auch die allgemeine Sterberate im Vergleich zum Durchschnitt anderer Jahre. Um die Dunkelziffer zu beleuchten und indirekte Opfer (etwa durch Angst/Einsamkeit, reduzierte medizinische Versorgung, weniger Bewegung) nicht aus den Augen zu verlieren. Ziemlich sicher sind die Unterschiede auf eine Kombination von Gründen zurückzuführen.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir uns diese(n) Fragen auch jetzt schon stellen sollten, wenn es dazu dienen kann, gegenzusteuern und die Lage zu verbessern. Wiewohl demokratische Prozesse derzeit auf ein Mindestmaß reduziert sind.
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