von David Augscheller1David Augscheller (Ökosoziale Linke) ist Gemeinderat in Meran.
Ich ertrage das Gerede nicht, wonach wir uns in einem Krieg befänden. In den letzten Wochen wird zunehmend die Sprache militarisiert, und zugleich auch unsere Weltsicht und unser Alltag. Trump, Macron, der italienische Zivilschutz spricht davon. Natürlich, wir müssen den Vorgaben der ExpertInnen Genüge tun. Nur so können wir wahrscheinlich diese Pandemie eindämmen. Aber wir führen keinen Krieg. Ein Krieg impliziert einen externen Feind, vor dem wir uns — mit allen Mitteln — verteidigen müssen. Und er hilft, die Aufmerksamkeit von sich zu lenken und die eigene Verantwortung im wortwörtlichen Sinne zu externalisieren. Die Vergangenheit zeigt uns dafür zig Beispiele. Wenn es einen Feind gibt, dann sind wir es selbst. Wir zerstören die Lebensräume von Tieren, industrialisieren die Tierzucht zu Massentierzucht, in der weder Artgerechtigkeit noch Hygiene gewährleistet werden, vergiften unsere Gewässer, haben weitgehend in weiten Teilen der Welt das natürliche Gleichgewicht der Ökosysteme zerstört, wodurch nicht zuletzt Viren auf die Menschen übergehen. Beispiele hatten wir schon: HIV, Ebola, das Zikavirus, heute Corona.
Die massiven Privatisierungswellen des öffentlichen Gesundheitssystems haben ihr übriges getan. In Italien musste die öffentliche Sanität Einschnitte von beinahe 40 Milliarden Euro im Zeitraum 2010 – 2020 hinnehmen. Die Einsparungen betrafen vor allem das Personal und die Infrastrukturen. Heute fehlen Personal und Infrastrukturen. Zugleich nahmen die Ausgaben für Militär stetig zu. Alleine in den letzten drei Legislaturen um 26%. Trotz allem stemmt das öffentliche Gesundheitssystem Italiens diese Notsituation, gelangt aber zunehmend an die Grenze der Belastbarkeit.
Nein, wir führen keinen Krieg. Wir müssen vielmehr unsere Produktions- und Konsumweise radikal ändern. Wir brauchen eine Potenzierung des öffentlichen Gesundheitssystems, eine nachhaltige Wirtschaft, nicht zuletzt eine damit zusammenhängende soziale Gerechtigkeit. All das erfordert eine ökonomische Systemwende, keine militärische. Ich befürchte allerdings, dass die Zeit nach der Pandemie die Zeit vor der Pandemie sein wird. So viel Optimismus vermag ich nicht aufzubringen.
- 1David Augscheller (Ökosoziale Linke) ist Gemeinderat in Meran.
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