Mir liegt es fern, die Initiative für direkte Demokratie auch nur argumentativ für meine Zwecke zu »missbrauchen«. Dennoch ist es so, dass der Verein eine hervorragende, unersetzliche Arbeit leistet, wenn es darum geht, demokratische Mitentscheidungsinstrumente auszubauen, und es wäre töricht, diesen Einsatz zu ignorieren. Bei der Landesvolksabstimmung im letzten Herbst wurde bekanntlich das Quorum von 40% nicht erreicht — und einen erheblichen Anteil daran hatten angeblich unsere Mitbürger italienischer Sprache. Aufgestachelt von einer nationalistischen Presse fürchteten viele, die direkte Demokratie könne einer Mehrheitslogik Tür und Tor öffnen, die die Vormacht der größeren Sprachgruppe über die kleinere(n) besiegeln würde.
Zumal Landesvolksabstimmungen nur innerhalb eines klaren gesetzlichen Rahmens möglich sind, der von internationalen Verträgen, Verfassung und Autonomiestatut umrissen wird, war diese Befürchtung de facto überzogen. Trotzdem ist die irrationale Angst nachvollziehbar und durchaus legitim — weshalb sich die Initiative daran gemacht hat, konkrete Schutzmechanismen auszuarbeiten, um reine Mehrheitsentscheide gerade in Bereichen, die für das Zusammenleben relevant sind, einzuschränken oder auszuschließen.
Sollte ein neues basisdemokratisches Instrument, welches diese Schutzmechanismen enthält, jemals zur Anwendung kommen, dann hätten wir es — ohne dass dies in der Absicht der Initiative für mehr Demokratie liegt — mit einem Versuch unter realitätsnahen Bedingungen (Feldexperiment) zu tun, wie Schutzklauseln in einem unabhängigen, nicht nationalstaatlich orientierten Südtirol aussehen könnten. Daraus könnte man sehr nützliche Erkenntnisse gewinnen.
Laut -Manifest ist ja ein unabhängiges Südtirol nur dann denkbar und erstrebenswert, wenn damit die Voraussetzungen geschaffen werden können, dass sich keine — auch nicht die zahlenmäßig kleinste — Sprachgruppe als eine Minderheit empfinden muss, sondern in vollen Zügen gleichberechtigt von allen Vorteilen eines Staatsvolkes profitieren kann. Dazu gehört (zwangsläufig im Vorfeld der Unabhängigkeit) eine klare und rechtlich verbindliche Definition von Schutzmechanismen, welche das Recht des Stärkeren (und somit der größeren Sprachgruppe) weitestgehend aushebeln.
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