Gastbeitrag von Oliver Hopfgartner*
Ich denke, dass in der derzeitigen Debatte um die Zweisprachigkeit in der Sanität das Wesentliche außer Acht gelassen wird. Alle sind so damit beschäftigt, die Plakataktion der STF zu kritisieren, dass dabei völlig vergessen wird, dass die Kritik inhaltlich zutrifft.
Einsprachige Ärzte ohne ausreichende Kenntnisse in beiden Landessprachen werden im Südtiroler Sanitätsbetrieb zunehmend zu einem Problem. Aufgrund des Ärztemangels werden derzeit auch Ärzte ohne Zweisprachigkeitsprüfung eingestellt. Dies führt zur paradoxen Situation, dass sich der Südtiroler Sanitätsbetrieb de facto erpressen lässt. Eigentlich sieht die Regelung vor, dass man als einsprachiger Arzt zwar mit der Arbeit beginnen darf, aber innerhalb eines Zeitraumes (von ca. drei Jahren) die Zweisprachigkeitsprüfung ablegen muss. Bei vielen Ärzten ist diese Zeit verstrichen und es ist nichts passiert.
Das ist deshalb ein Problem, weil durch Kommunikationsfehler die meisten Behandlungsfehler passieren. Auch wenn heute eine interdisziplinäre High-Tech-Medizin betrieben wird, ist das Arzt-Patienten-Gespräch immer noch das zentrale Element und macht im diagnostischen und therapeutischen Prozess gut 70% aus. Durch schlechte Kommunikation entstehen einerseits Kosten und andererseits Behandlungsfehler. Im ärztlichen Erstgespräch können Angehörige eventuell noch aushelfen, der weitere Aufenthalt im Krankenhaus wird aber durch derartige Sprachbarrieren erschwert, beispielsweise falls risikobehaftete Untersuchungen und Eingriffe notwendig werden und der Patient darüber aufgeklärt werden muss.
Selbst bei erfolgreicher Behandlung birgt eine durch Sprachbarrieren eingeschränkte Kommunikation die Gefahr, dass in der Nachbehandlung Komplikationen auftreten.
Daher wäre es wichtig, dass man parteiübergreifend daran arbeitet, die Einhaltung der Zweisprachigkeit im Gesundheitswesen zu verbessern. Ich denke, man kann von jedem Arzt verlangen, innerhalb von drei Jahren eine Sprache zu erlernen — Ärzte gehören immerhin (auf dem Papier) zu den am besten ausgebildeten Berufsgruppen.
Warum steckt die Politik den Kopf in den Sand bzw. greift den Überbringer der schlechten Nachricht an, anstatt Lösungsvorschläge zu diskutieren, wie z.B. eine mögliche Umstellung des Prüfungsmodus auf mehrere kleinere Prüfungen oder die Einführung eines finanziellen Bonus-Malus-Systems? Es gäbe viele Möglichkeiten, zumindest zu versuchen, die Situation zu verbessern. Stattdessen sehen wir das übliche parteipolitische Geplänkel.
Aber da es bei den Richtern offensichtlich auch nicht funktioniert, scheint genau das das Problem zu sein — der politische Wille fehlt…
*) Der Autor ist seit Abschluss des Studiums der Humanmedizin in Graz als Arzt in der Steiermark tätig, zuletzt arbeitete er an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz. Derzeit befindet er sich in Väterkarenz.
Scrì na resposta