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Ein medialer Sittenverfall.
Schwarze Chronik nördlich und südlich des Brenners

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TT-Chefredakteur Mario Zenhäusern beklagt in einem Leitartikel anlässlich des Fünffach-Mordes in Kitzbühel den Umgang österreichischer und deutscher Medien mit dem Kriminalfall. Auf Social-Media-Kanälen und im Boulevard würde die Praxis der Anonymisierung der Opfer und mutmaßlicher Täter immer öfter nicht mehr geübt.

In Österreich sind nach geltendem Medienrecht Opfer und (mutmaßliche) Täter sowie deren Angehörige gesetzlich davor geschützt, dass ihr Name, Bild oder nähere Angaben zur Person ohne Einwilligung in Medien veröffent­licht werden. Ausgenommen sind, vereinfacht erklärt, lediglich Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses bzw. Persönlichkeiten, die selber in der Öffentlichkeit stehen. Während sich viele Medien nach bestem Wissen und Gewissen an diese gesetzliche Regelung halten, wird sie in den sozialen Netzwerken regelmäßig und von deutschen und österreichischen Boulevardzeitungen immer wieder ignoriert, wie die schonungs- und pietätlose Zurschaustellung der Opfer im Fall Kitzbühel zeigt. Diese Form der Berichterstattung ist ein Beweis für den medialen Sittenverfall, der noch dazu in den meisten Fällen sanktionslos bleibt.

Würde Zenhäusern den Blick über den Brenner wagen, würde er hier zuhauf auf die Letztklassigkeit und Niveaulosigkeit treffen, von der er in seinem Kommentar schreibt. Quer durch die Bank werden in Südtirol nämlich Unfall- und Verbrechensopfer wie auch mutmaßliche Täter mit vollem Namen und Bild präsentiert – wie ein Blick auf die Internetseite des Athesia-Blattes A.A. oder die Nachrichtenplattform Stol belegt.

Schwärzungen von mir

Ein schwacher Trost ist, dass diese unsägliche Praxis zumindest in Nordtirol noch einige Menschen – Medienleute zumal – schockiert. In Südtirol hat man sich an die unappetitliche und pietätlose Zurschaustellung offenbar schon längst gewöhnt. Denn was sind Persönlichkeitsrechte und die Gefühle Angehöriger schon wert im Vergleich zur Quote, die billiger Sensationsjournalismus bringt?

Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01



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Comentârs

8 responses to “Ein medialer Sittenverfall.
Schwarze Chronik nördlich und südlich des Brenners

  1. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    sehr guter text von markus larcher zur thematik (anlassfall luttach) in der ff:
    https://www.ff-bz.com/leitartikel/2020-02/wir-alle-sind-gefordert.html

  2. Simon avatar

    Was derzeit wieder abläuft (Stichwort: mutmaßlicher Mord an Laura P. und Peter N.) ist einfach der Wahnsinn. Und niemand scheint sich daran zu stören, schon gar nicht die Journalistinnenkammer.

    1. Harald Knoflach avatar
      Harald Knoflach

      Ja. Es ist ein Wahnsinn. Wir leben im tiefsten Mittelalter. Und die Medien spielen Inquisitor. Das hat nichts mit Information zu tun.

      1. Simon avatar

        Alle Rekorde bricht meiner Beobachtung zufolge die Lokalbeilage des Corriere, unter anderem:

        • am 22. Jänner mit einem Gespräch mit dem Kriminalautor Luca D’Andrea, der mit einer Mischung aus Südtirol-Klischees (Alkoholismus, Zweisprachigkeit…) und billigster Psychoanalyse pietätlos irgendwas über die Familie zusammenschwurbelt;
        • gestern mit Straßeninterviews (»Bolzano sconvolta e colpevolista«) zur Verhaftung von B. N. und zur Schuldfrage (!).

        Viel tiefer geht es nicht mehr.

  3. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Rüge für Krone und OE24.at
    https://orf.at/stories/3202956/

    Solche Sachen sollten aber nicht bloß ein “moralisches” Nachspiel haben.

  4. Harald Knoflach avatar
  5. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Aus Rücksicht auf die Angehörigen und aus Gründen des Datenschutzes wollte das Außenamt auf TT-Anfrage am Abend allerdings keine weiteren Angaben zur Herkunft machen.

    https://www.tt.com/artikel/30844642/lawine-in-nagano-oesterreicher-und-freestyle-weltmeister-kyle-smaine-ums-leben-gekommen

    Und hierzulande verteilt die Exekutive liebend gerne Namen und Fotos von Opfern, Zeugen und Verdächtigen.

    Interessant auch: Im Falle des Freestyle-Weltmeisters überwiegt das öffentliche Interesse. Im Falle der Privatperson das Persönlichkeitsrecht.

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