Im Zusammenhang mit dem dramatischen Brand an der Notre-Dame-Kathedrale von Paris hat der Journalist und Politiker David Grosclaude (Partit Occitan) in seinem Blog eine beachtete »Reflexion über den Fetischismus derer, die nicht verstanden haben, dass materielles und immaterielles Kulturgut der selben Rücksicht und der selben Achtung bedürfen« veröffentlicht, woraus ich hier zitiere:
Das materielle Erbe ist nichts ohne das immaterielle. Ohne die Worte, die es begleiten, ohne das Wissen, das sich in ihm verbirgt und das es in Bewegung gesetzt hat, ist ein Monument nichts anderes als ein Haufen Steine.
In dieser Hinsicht waren die Tränen und die Aussagen gewisser Persönlichkeiten während jenes Abends unerträglich. Einige von ihnen lassen täglich Kathedralen und Monumente unseres Erbes vernichten, ohne etwas zu sagen. Es passiert sogar dass sie auf die Glut blasen.
Sie sind Opfer eines Fetischismus, der dazu führt, dass sie vergessen, dass das immaterielle Gut genauso wichtig ist, wie das andere. Beide entwickeln sich im Laufe der Zeit, passen sich an, erleiden Schmähungen, Unfälle, Gewalt: doch wir sollten die gleiche Rücksicht auf sie nehmen. Das ist nicht der Fall.
Die vernichteten Kathedralen, die brennenden Schlösser, die Schätze, die in Rauch aufgehen sind nicht immer jene, die man mit einer Eintrittskarte und dem Smartphone in der Hand besuchen kann.
Wenn uns Mélenchon, Macron, Hollande, Fillon, Sarkozy und die anderen an ihren Emotionen über den Verlust, den der Brand von Notre Dame darstellt, medial teilhaben lassen, kann ich nicht anders, als ihre Unfähigkeit zur Kohärenz zu bedauern. Ich kann nicht vergessen, dass das dieselben sind, die schweigen (oder sich gar freuen), wenn die Kulturmonumente, die unsere Sprachen sind, Schritt für Schritt mangels Achtung und Rücksicht — von einer Politik, die die sprachliche Vielfalt zerstört — vernichtet werden. Dabei sind das Monumente, die so gut es geht Jahrtausende an Historie, Millionen Seiten Literatur und Millionen Tage der Menschheitsgeschichte in sich tragen.
Sie haben aber einen Makel: Sie brennen nicht in einem Mal vor dem Auge einer Kamera ab. Das sind Monumente, die in Stille einstürzen, unterhöhlt werden und sterben.
Selbstverständlich wird man Notre Dame wieder aufbauen müssen, wie man es mit jedem anderen Monument dieser Bedeutung, das gebrannt hätte, auch hätte tun müssen; doch es ist auch Kohärenz gefragt. Das materielle und das immaterielle Erbe vermischen sich.
Die baskische, die korsische, die bretonische, die okzitanische, die katalanische Sprache, die Sprachen der amerikanischen Ureinwohnerinnen, die der Kanakei, die kreolischen Sprachen usw. sind ebenfalls brennende Kathedralen.
Ich habe zum Brand in Paris das Wehklagen derjenigen vernommen, die uns noch vor einigen Tagen, Wochen, Jahren erklärten, dass der Einsturz unserer sprachlichen Kathedralen Schicksal sei und vielleicht sogar gut für den Fortschritt der Menschheit; jedenfalls aber, dass man dabei [untätig] zusehen müsse.
All jene, die nichts für das immaterielle Erbe gemacht haben und die politischen Mittel gehabt hätten, etwas zu tun, haben sich zum Brand von Notre Dame geäußert — von rechts und von links. Seit Jahren versprechen und reden die einen wie die anderen von kultureller Vielfalt, ohne irgendetwas zu tun. Und wenn sie etwas machen, dann immer nur für das, was weit weg ist und exotisch erscheint. Humanismus für den externen Gebrauch, aber nie irgendwas für das, was sie vor der eigenen Nase haben. Dabei müssten sie wissen, dass die Steine keinen Wert haben, außer durch die Geschichte, die sie geschnitten und gezeichnet hat, und durch die Frauen und Männer, die sie erwähnt, benannt, erläutert haben.
Notre-Dame de Paris hätte, auch wenn zur Gänze zerstört, unter der Feder von Victor Hugo weitergelebt, Quasimodo und Esmeralda hätten weiterhin den Geist der Literaturliebhaberinnen bewohnt und damit das Gebäude am Leben erhalten, mit all den anderen, die etwas darüber geschrieben haben.
Übersetzung:
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