Die Unterzeichnerstaaten des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) sind verpflichtet, periodische Berichte an den UN-Menschenrechtsausschuss zu schicken, der diese dann bewertet. Im Mai letzten Jahres haben die Vereinten Nationen ihre abschließenden Bemerkungen zum 6. italienischen Bericht veröffentlicht.
Die breite mediale Aufarbeitung des Dokuments mag mir entgangen sein — oder aber sie hat schlichtweg nicht stattgefunden.
Nachdem die periodischen Staatenberichte alle fünf Jahre eingereicht werden sollten und der italienische Bericht diesmal gar elf Jahre auf sich warten ließ, bin ich aber der Meinung, dass man die Besprechung der Schlussfolgerungen hier und heute noch als topaktuell bezeichnen kann.
Als positive Aspekte des italienischen Berichts erwähnt der Menschenrechtsausschuss vier Maßnahmen, nämlich (a) die Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, (b) den staatlichen Aktionsplan gegen Menschenhandel und Ausbeutung, (c) das Gesetz über geschlechtsbezogene Gewalt und Zivilschutz sowie (d) den staatlichen Strategieplan zur Inklusion von Sinti und Roma. Ferner erwähnt der Menschenrechtsausschuss auch die Ratifizierung sechs weiterer internationaler Protokolle und Pakte durch Italien positiv.
Weit detaillierter gehen die Expertinnen jedoch auf die negativen Aspekte — oder Sorgen — ein, die da wären:
- Das Fehlen einer staatlichen Institution zu Förderung und Schutz der Menschenrechte, wie sie vom IPbpR vorgesehen ist.
- Die Tatsache, dass die italienische Verfassung (Art. 3) keine umfassende Liste der verbotenen Diskriminierungsgründe enthält und dass die bestehenden Antidiskriminierungsgesetze nur einige Gründe in einigen Bereichen betreffen.
- Das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare und die rechtliche Ungleichbehandlung von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Familien leben. Ebenfalls die Ablehnung von In-vitro-Fertilisation oder dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Intersexuelle Hassparolen (hate speech) ausgesetzt seien.
- Berichte über beharrliche Stigmatisierung, Stereotypisierung, rassistische Diskurse über Roma-, Sinti- und Camminanti-Gemeinschaften, die durch Medien und Beamte auf lokaler Ebene noch verschärft würden. Außerdem die Tatsache, dass die erschwerenden Umstände laut Mancino-Gesetz nur dann zur Anwendung kämen, wenn Rassismus das einzige Motiv für eine Straftat war, aber nicht, wenn es mehrere Motive gab.
- Die beharrliche Diskriminierung und Segregation von Roma-, Sinti- und Camminanti-Gemeinschaften, so zum Beispiel:
- Die Abwesenheit von Rechtsschutz für Roma, Sinti und Camminanti, deren Rechte durch die Umsetzung eines Nomadennotstandsdekrets von 2008 verletzt wurden.
- Die fortgesetzte Praxis von Zwangsräumungen auf dem gesamten Staatsgebiet.
- Die Auferlegung restriktiver Sicherheitsmaßnahmen, zum Beispiel durch einen Beschluss der Gemeinde Rom im Dezember 2015.
- Der Bau von neuen segregierten Romasiedlungen durch Gemeindebehörden.
- Der erschwerte Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund der hohen Anzahl an Gewissensverweigerern und deren ungleichmäßiger Verteilung auf dem Staatsgebiet, was zu einer signifikanten Anzahl an illegalen Schwangerschaftsabbrüchen führe.
- Die nach wie vor fehlende Kodifizierung der Folter als Straftatbestand.
- Die Berichte über regelmäßige Gewaltexzesse durch Polizeikräfte, insbesondere bei der Identifizierung von Migrantinnen in sogenannten Hotspots. Ebenso die vorherrschende Straflosigkeit für Polizei- und Ordnungskräfte bei exzessivem Gewalteinsatz und Art. 582 StGB., das eine Beschwerde des Opfers voraussetzt.
- Die komplexen Prozeduren zur Ermittlung von Staatenlosigkeit, hauptsächlich von Roma und Drittstaatangehörigen, die dazu führen, dass Kinder häufig die Staatenlosigkeit von ihren Eltern übernehmen.
- Obschon die Anstrengungen bei der Aufnahme Geflüchteter begrüßt werden:
- Die fehlende Umsetzung von Gesetz 67/2014, das der Regierung die Aufhebung des Straftatbestandes der illegalen Einreise gestattet.
- Wiederholte Berichte von kollektiver Ausweisung von Migrantinnen, einschließlich der Deportation von 48 Sudanesinnen im August 2016 auf Grundlage eines bilateralen Abkommens.
- Die verlängerte Internierung in Hotspots über die gesetzlich vorgesehenen 72 Stunden hinaus.
- Die ungenügende Anzahl von Plätzen in Erst- und Zweitaufnahmezentren sowie die Wohnbedingungen in vielen Aufnahmezentren.
- Die Abwesenheit effektiver Schutzmaßnahmen gegen die fälschliche Einstufung von Asylsuchenden als Wirtschaftsmigrantinnen, einschließlich der ungenügenden Bereitstellung von Informationen und rechtlicher Unterstützung zu (Vor-)Identifizierung und Asylgesuchen in Hotspots und Aufnahmezentren.
- Bei Anerkennung der Herausforderungen, die sich durch die steigende Anzahl unbegleiteter Minderjähriger ergibt, die in Italien ankommen: Die ungenügenden Schutzmaßnahmen für diese Kinder, insbesondere die unangemessenen Prozeduren zur Altersfeststellung, die Verspätungen bei der Bereitstellung eines Vormunds sowie die Zustände in den Erstaufnahmezentren. Besonders besorgniserregend ist die steigende Anzahl von Kindern, die aus den Aufnahmezentren verschwinden, was sie der Gefahr von Kinderarbeit oder sexueller Ausbeutung aussetzt.
- Die Berichte über den Anstieg von Menschenhandel und Ausbeutung von Migrantinnen, insbesondere im Kontext der jüngsten Migrationsflüsse. Insbesondere:
- Die Abwesenheit klarer Prozeduren zur Untersuchung von Menschenhandelsopfern in Aufnahmezentren.
- Berichte über Ausweisungen möglicher Opfer von Menschenhandel sowie die Abwesenheit von Informationen über rechtliche Möglichkeiten und Sozialdienste.
- Die Ausbeutung von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere der irregulären und in der Landwirtschaft, die systematische Abwesenheit von Arbeitssicherheit, die fehlende Sicherstellung minimaler Lebensbedingungen und die Abwesenheit effektiver Arbeitsinspektionen.
- Das Fehlen klarer und effektiver Prozeduren, die den Migrantinnen die Meldung von Ausbeutung, einschließlich Gehaltsausfällen, ermöglichen würden.
- Die Überbelegung von Haftanstalten, trotz unternommener Anstrengungen, insbesondere die Überrepräsentation von Ausländerinnen, die Berichten zufolge durch die Diskriminierung bei Verurteilungen und durch die eingeschränkte Anwendung von Haftalternativen zustande kommen. Außerdem die schlechten Haftbedingungen, einschließlich in Haftanstalten für Migrantinnen, in Bezug auf Essen, Gesundheitsversorgung und Freizeitaktivitäten.
- Das Haftregime laut Art. 41 bis der StPO., das für vier plus zwei Jahre verhängt werden kann; die angebliche automatische Haftverlängerung; die häufige Ablehnung von Rekursanfragen; die Abwesenheit einer richterlichen Überprüfung der erstmaligen Anordnung oder Verlängerung dieses Haftregimes und die starken Einschränkungen sozialer Kontakte der Gefangenen mit anderen Mitgefangenen.
- Die exzessive Länge von Gerichtsverfahren und der eingeschränkte Zugang zu kostenloser Rechtsberatung aufgrund restriktiver Kriterien und fehlender Information über die verfügbaren Optionen.
- Berichte über die Abhörung persönlicher Kommunikation durch Geheimdienste und die Anwendung von Hackingtechniken ohne klare Genehmigung oder klar definiertem Schutz vor Missbrauch. Einschlägige Gesetze verpflichten Telekommunikationsanbieter, Daten über den vom Datenschutzgesetz gestatteten Zeitraum hinaus aufzubewahren; Behörden können auf diese Daten ohne gerichtlichen Beschluss zugreifen. Berichten zufolge haben Unternehmen aus Italien Regierungen, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben […] Onlineüberwachungsanlagen geliefert.
- Einige Formen der Meinungsäußerung, einschließlich Verleumdung, üble Nachrede und Blasphemie, können mit Haftstrafen geahndet werden. Zudem wird die Verleumdung von Beamten, einschließlich des Staatsoberhaupts, als erschwerender Umstand definiert. Die hohe Anzahl von Journalistinnen, die wegen übler Nachrede verurteilt wurden.
- Berichte, dass das Gesetz über den Aktenzugang von 2016 keine Sanktionen für Behörden vorsieht, die Anfragen ohne angemessene Begründung ablehnen und dass man gegen die Abweisung von Anfragen auf Aktenzugang nur gerichtlich Widerspruch einlegen kann.
Da ist einiges — zum Beispiel die Ausweisung segregierter Romasiedlungen oder die schlechten Lebensbedingungen in Aufnahmezentren — was Südtirol auch eigenständig verbessern könnte und sollte. Anderes wiederum, das meiste sogar, betrifft auch unser Land, ohne dass wir aufgrund unserer eingeschränkten Autonomie die Möglichkeit hätten, etwas zu verändern. Insgesamt ein beunruhigendes Bild, das der UN-Menschenrechtsausschuss da von Italien zeichnet.
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