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Unkritische Denkmalpflege.

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Das faschistische Siegesdenkmal in Bozen wird mit staatlichen Mitteln aufwändig saniert und wieder in seinen »glanzvollen« Urzustand versetzt. Dagegen hat die Landesregierung endlich offiziell beim Innen- und dem Kulturminister in Rom protestiert. In einem Schreiben hat die für Kultur und Denkmalpflege zuständige Landesrätin Sabina Kasslatter-Mur (SVP) gefordert, die eingeplanten Gelder zu nutzen, um den umstrittenen Bau von Marcello Piacentini in ein Mahnmal zu verwandeln. Diesen Wunsch hatte Landesdenkmalpfleger Leo Andergassen bereits im März an die betroffenen staatlichen Ämter gerichtet.

Obwohl die entsprechende Zuständigkeit längst beim Land Südtirol liegt, hat sich der Staat die alleinige Kontrolle über das Siegesdenkmal bewahrt und beim staatlichen Denkmalamt in Verona angesiedelt. Dies beweist den Stellenwert, den der faschistische Bau in Italien nach wie vor genießt.
Als die Gemeinde Bozen im Jahr 2004 Informationstafeln anbringen wollte, um den historischen Hintergrund des Monuments zu erklären, wurde das vom Kulturministerium abgelehnt. Sie mussten in 50 Metern Entfernung auf Gemeindegrund aufgestellt werden. Das Siegesdenkmal wird also nach wie vor als Siegesdenkmal und nicht als Mahnmal betrachtet und auch als solches saniert.

Die Gelder für die jetzige Restaurierung stammen großteils aus einem zweckgebundenen Fonds, der mit Einnahmen aus dem Lottospiel finanziert wird. ruft alle Südtirolerinnen auf, fortan auf staatliche Glücksspiele zu verzichten, um nicht indirekt den skandalösen Einsatz dieser Mittel zu unterstützen.


In Denkmalnähe befinden sich auf zwei Säulen eine römische Wölfin und ein Markuslöwe als Symbole der Italianità und Zugehörigkeit zum Imperium Romanum. Sie wurden noch vor wenigen Jahren von der Gemeinde (!) restauriert.

Cëla enghe: 01 02



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Comentârs

16 responses to “Unkritische Denkmalpflege.”

  1. Seppl avatar
    Seppl

    Die Italiener in Bozen betrachten m. E. das Denkmal gänzlich anders als “wir”: Die einen sehen darin freilich in offen nationalistischer Haltung die “Italianità ” Südtirols manifestiert; die anderen hingegen haben eine eigenartige, “konservatorische” bzw. “antiquarische” Haltung. Sie möchten das Denkmal gern in dieser Form erhalten, da es “Geschichte widerspiegle” (in welcher Form auch immer) und man nicht so vorgehen solle wie in Deutschland, wo einfach alle Denkmäler geschleift worden sind (eine Art “damnatio memoriae” im öffentlichen Raum).
    Überdies würde man nichts Anstößiges am Siegesdenkmal erkennen können, die Inschrift bezeuge sogar die Wahrheit (!) und Siege werden auch andernorts in Denkmälern verherrlicht, in Berlin (Siegessäule) z.B., oder in Paris (Arc de Triomphe).
    Schließlich gebe es genügend “faschistische” Bauwerke in Italien, die nach wie vor praktische Verwendung finden: der Hauptbahnhof in Mailand, das Postgebäude in Neapel, die “Sapienza” in Rom (sogar noch von demselben Architekten entworfen wie “unser” Siegesdenkmal: Marcello Piacentini) usw. Bozen stelle da keine italienweite Besonderheit dar.
    Das hat mir so erst kürzlich ein Bozner Italiener gesagt.

    Bei alldem frage ich mich zwei Dinge:

    1. Ist die Geschichtsaufarbeitung und die Sensibilität gegenüber der Faschistischen Ära in Deutschland vielleicht zu übertrieben, und wir, die wir ja partiell am intellektuellen Diskurs der BRD teilnehmen, haben diese Haltung unreflektiert übernommen und agieren ähnlich unverhältnismäßig?

    2. Oder ist etwas bei der Geschichtsaufarbeitung in Italien schief gegangen? Könnte es sein, dass das Verhältnis zur eigenen, faschistischen Vergangenheit überhaupt nicht kritisch hergestellt wurde und wird, da Italien 1945 (demokratische) Siegermacht war und von den Alliierten zu keiner “Entnazifizierung” “gezwungen” wurde?

  2. hello avatar
    hello

    Die jetzige Form des “Siegesdenkmals” ist wohl einzigartig in Euripa (weltweit?). Wenn jemand ähnliche Übrigbleibsel des Nationalsozialismus oder Faschismus kennt oder davon weiß, möge man dies bitte kundtun. Also wenn ein Staat in der heutigen Europäischen Union so etwas nötig hat, dann kann es wohl nur deshalb sein, weil er sich im Prinzip dessen bewusst ist, wie ungerecht die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien ist und einfach aus Imperialismus (Anno 2009!) und Minderwertigkeitskomplexen daran festhält.
    Die Befürworter dieses Denkmals samt dessen Aussagekraft können einem nur leid tun. Ironie der Geschichte: kein Wort über dieses Denkmal bei der Tagung zum Thema Rechtsradikalismus soweit ich weiß. Und rechtsradikaler gehts wohl nicht mehr, außer man lässt jetzt noch daneben mit italienischen Lottogewinnen irgendwo A.Hitlers Büste aufstellen, wie er Mussolini die Hand reicht. Das würde dort noch “gut” hineinpassen.

  3. anonym avatar
    anonym

    @pervasion:
    den Aufruf das Lottospielen zu boykottieren kann ich nur zustimmen – ausserdem sind die Gewinnchancen so verschwindend klein, das Geld sollte man besser sparen oder für einen guten Zweck spenden!

    Was die faschistischen Relikte selbst anbelangt:
    ich bin gänzlich gegen die Zerstörung, wohl aber für die Demontage der faschistischen Relikte und die Verfrachtung in ein Museum, wo endlich einmal die Geschichte Südtirols seid 1919 aufgearbeitet werden sollte. Dort könnten diese “Objekte” ausgestellt und neutral historisch korrekt erklärt werden und wären zudem vor dem Missbrauch durch Neofaschisten (Stichwort Feiern, Kranzniederlegung usw.) geschützt. So ein Museum wäre 1000x wichtiger für Südtirol als dieser überteuerte Protzbau für moderne Kunst!

    Die Geschichtsverfälschung die Italien betreibt ist schon beispiellos. Die eigenen Verbrechen werden unter den Teppich gekehrt (Stichwort Nordafrika, Abessinien usw.), die Verbrechen der anderen an Italienern werden ständig wach gehalten und angeprangert (Stichwort Istrien oder Erschiessungen durch Wehrmacht/Waffen-SS).
    Ergebnis dieser Politik heute: Mussolini und der Faschismus waren ja nicht soooo schlecht. Und das sieht man heute an allen Ecken und Enden: Mussolini Kalender, Büsten, Abzeichen, Wein mit eindeutigen Etiketten, CDs mit den “canti fascisti” – alles frei käuflich.

    Und das zieht sich quer ducrh die Gesellschaft, auch öffentliche Organe wie Polizei und Militär. Ich könnte euch Geschichten aus meiner Miltärzeit erzählen, die – wenn das in Deutschland passiert wäre – zu einem internationalen Skandal geführt hätten. Aber hier ist das normal.

    Der Runde Tisch gegen den Rechtsradikalismus ist so eine Missgeburt. So sehr ich es begrüsse daß den jungen rechen Deppen mal der Kopf gewaschen wird, wenn das aber nur auf die Deutschen abzielt ist das verlogen! Und führt in der öffentlichen Wahrnehmung nur dazu, daß die Deutsche Volksgruppe als tendenziös rechtsradikal dargestellt wird. Mir scheint dies aber langsam gezielte Taktik zu sein, daß alles ausserhalb und rechts der SVP automatisch als rechtsradikal diffamiert wird.

  4. Seppl avatar
    Seppl

    @ anonym:
    dem kann man nur zustimmen…zu sagen ist noch, dass viele Carabinieri noch offen mit solch einer neofaschistischen Haltung ihren Dienst versehen und dies als Patriotismus und Liebe zum Vaterland verkaufen wollen (ich könnte euch Geschichte aus dem Burggrafenamt erzählen…).

    Dasselbe mit dem Siegesdenkmal: Viele empfinden die Kritik von deutsch-ladinischer Seite als ehrenrührig und äußerst unangemessen, da es hier ja um Gefallene geht, die fürs Vaterland ihr Leben ließen (frei nach dem Motto “Dulce et decorum est pro patria mori”). Das Siegesdenkmal wird nicht einmal ansatzweise auf seine historische Problematik hin hinterfragt (wie es für uns anscheinend ganz normal ist).

    Was mich wirklich interessieren würde: Warum machen die Italiener ihr “Bleiberecht” oder ihren Heimatanspruch in diesem Land so stark am Siegesdenkmal fest? Was ist da schief gegangen, dass man sich stolz als Demokrat, Anti-Faschist und von mir aus auch Linker bezeichnet, aber trotzdem an solch einer Scheußlichkeit hängen bleibt und glaubt, die “Italiantà ” werde durch so etwas verkörpert? :-(

  5. jonny avatar
    jonny

    Eine Frage in die Runde:
    Habe am WE ein paar Sachen über Casapound gelesen, und da kam auch ein Sitz in Bozen vor, der ein Geschäft eröffnet hat, Casaitalia, in dem man allerhand faschistisches Zeug kaufen kann!! Ist es denn möglich, dass man da kein Wort hört, von wegen rechtsradikal, neofaschistisch oder ähnliches?? Wie siehts in Italien eigentlich gesetzlich diesbezüglich aus?? Ist aktiver Faschismus verboten oder nicht? Könnten hier, z.B. Casapound, die Gesetzeshüter was machen. oder ist das alles erlaubt??

  6. pérvasion avatar

    Angeblich sind die einschlägigen Gesetze nur sehr schwer anwendbar. Mir scheint jedoch manchmal eher, dass sie einseitig sehr wohl angewandt werden — aber eben nicht gegen italienische Faschisten. Vergleiche hiermit.

    Im gestrigen Corriere dell’Alto Adige war ein m. E. skandalöses Interview mit dem Historiker Giorgio Delle Donne, der die Faschisten von Casa Pound in Schutz genommen hat, weil sie wenigstens noch über Politik reden, während die Rechten mit Huren und die Linken mit Transen verkehren. Nach Voltaire teile er zwar deren Meinung nicht, setze sich aber dafür ein, dass sie sie kundtun dürfen. Das ist Toleranz gegenüber der Intoleranz — ich bin nur froh, dass kein Südtiroler Politiker/Historiker einen derartigen Stuss über die Hitlerjugend in Naturns gesagt hat.

  7. anonym avatar
    anonym

    Mit den Rechtsradikalen muss man gleich verfahren, ob ital. oder deutsch! Und genau hier sehe ich das Problem, daß eben nicht gleich vorgegangen wird, grad so als wären die einen schlimm, die anderen nicht.

    Das Mancini Gesetz (oder wie eh genau heisst?) sollte eigentlich alles Faschistische/Nazionalsozialistische verbieten – sollte!

  8. anonym avatar
    anonym

    Im letzten Absatz fehlt das Wort “Wiederbetätigung”

  9. jonny avatar
    jonny

    Alla stessa pena di cui al primo comma soggiace chi pubblicamente esalta esponenti, princìpi, fatti o metodi del fascismo

    Wäre das denn nicht eine rechtliche Handhabung gegen den
    Neofaschismus? Es würde mich sehr reizen, eine Anzeige gegen all diese Geschäfte zu machen, die irgend einen rechtsradikalen Dreck verkaufen!
    Wie würde die Exekutive denn darauf reagieren, würde sie überhaupt reagieren, oder würde sie alles unter den Teppich gekehrt, oder als keine Straftat einstufen, und das wars dann?

  10. pérvasion avatar

    Ich habe mich einmal mit einer Bekannten (Rechtsanwältin) darüber unterhalten. Die meinte, dass in Italien diese Gesetze in der Praxis kaum anwendbar seien. Aus welchem Grund weiß ich nicht. Wäre aber interessant in Erfahrung zu bringen.

  11. anonym avatar
    anonym

    Übrigens: das Gesetz heisst “Mancino” Gesetz.
    Muss wirklich ein nutzloses Gesetz sein oder all’ italiana angewendet werden, wenn man so sieht was manchen alles durchgelassen wird. würde mich auch interessieren, weshalb das so ist.

  12. jonny avatar
    jonny

    Na dann, lasst es uns doch rausfinden!!
    Kennt jemand einen Rechts-oder Staatsanwalt, den man mit diesem “Problem” konfrontieren könnte?? Hat jemand z.B. die neue E-Mailadresse von Cuno Tarfusser in Brüssel, oder hat jemand sonst eine Idee??

  13. pérvasion avatar

    So gefällt’s mir, Jonny ;-)

    Link Cuno Tarfusser.

    Eine direkte Email habe ich aber nicht gefunden. Vielleicht einen Anwalt fragen?

  14. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    John Oliver über Konföderierten-Denkmäler

    1. Simon avatar

      Great.

      Aber halt auch ziemlich mutlos. Schließlich ist die Sklaverei endgültig überwunden.

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