Das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München hat Ergebnisse einer Forschungsarbeit von Martin Braml (Doktorand) und Professor Gabriel Felbermayr zur politischen Ökonomie von Sezessionen veröffentlicht.
Darin wird der gemeinsame Binnenmarkt als wichtiger »Ankerpunkt« bezeichnet, der gerade für kleinere Volkswirtschaften bedeutsamer sei als für größere — weshalb die optimale Größe von Staaten schrumpfe. Dabei unterstreichen die Autoren, dass der Zugang zum Binnenmarkt nicht nur durch eine EU-Vollmitgliedschaft, sondern auch durch die EFTA-Mitgliedschaft (Island, Norwegen, Liechtenstein, Schweiz), eine vertiefte Freihandelszone (Georgien, Moldawien, Ukraine) oder Beitritt zur Zollunion (Türkei) erzielbar ist. Dass einem unabhängigen Katalonien — oder einer anderen separatistischen Region — nicht nur eine Vollmitgliedschaft, sondern auch eine der anderen Formen der Teilnahme am Binnenmarkt verweigert würde, bezweifeln Braml und Felbermayr, selbst wenn man den allfälligen Willen berücksichtigt, eine abtrünnige Region zu »bestrafen«.
Das Entstehen und Verschwinden von Staaten ist ein in der neueren Geschichte ständig wiederkehrender Prozess und das Festhalten am Status quo ist so, als ob man den Lauf der Geschichte aufhalten möchte. Tempora mutantur, et mutamur in illis!
— Braml/Felbermayr
Die optimale Größe eines Staates sei dann erreicht, wenn sich die Größenvorteile und die Kosten der Homogenität (also die schlechtere Berücksichtigung regionaler Bedürfnisse in größeren Staaten) die Waage halten. Die Autoren plädieren dabei ausdrücklich für ein in der Verfassung verankertes Sezessionrecht, da seine bloße Existenz die Übervorteilung von Regionen verhindern könne. Es sei letztendlich dafür gedacht, nie gebraucht zu werden, weil es eine ausgleichende Wirkung entfalte.
Was eine etwaige Mindestgröße von Staaten betrifft, stellt die Studie fest, dass Malta und Luxemburg eine Überlebensfähigkeit schon ab einer halben Million Einwohnerinnen beweisen. Einen Zusammenhang zwischen Größe der Volkswirtschaft und BIP gebe es in der EU nicht — die vier Länder mit dem höchsten BIP pro Kopf seien sogar alle klein.
Umgekehrt gehe der Wunsch nach Abspaltung häufig auch mit dem Vorwurf der mangelnden innerstaatlichen Solidarität einher. Regionaltransfers seien zum Beispiel im Fall von Naturkatastrophen eine wichtige kollektive Versicherung. Dauerhafte Transfers — wie jene zwischen Nord- und Süditalien — blieben hingegen den Nachweis schuldig, dass sie eine Angleichung der Lebensverhältnisse bewirken. Die Trennung von Tschechien und Slowakei biete sogar Indizien dafür, dass die Eigenstaatlichkeit dem ärmeren Landesteil eine Aufholjagd ermöglicht habe, wie sie mit jahrelangen Finanztransfers nie geglückt war.
Legalisten mögen sich, wie im Falle Spaniens geschehen, hinter der Verfassung verstecken, die keine Abspaltung einzelner Landesteile vorsieht. So notwendig Rechtspositivismus für den demokratischen Rechtsstaat sein mag, geht er hier an der Wirklichkeit vorbei. Hätten die Legalisten ihrer Zeit immer Recht behalten, wäre die Schweiz heute noch deutsch, die Niederlande spanisch (beide Abspaltungen 1648), Polen nicht existent, und die USA befänden sich noch im Kolonialbesitz des British Empire. Die Geschichte selbst führt den Rechtspositivismus somit ad absurdum und beweist die Existenz einer normativen Kraft des Faktischen.
— Braml/Felbermayr
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