Eine rund 600 Seiten starke Studie über die »Entwicklungen und Veränderungen der Südtiroler Autonomie seit der Streitbeilegungserklärung 1992« wurde vor wenigen Tagen in Bozen vorgestellt. Erstellt wurde sie von den beiden Rechtsexperten Prof. Esther Happacher und Prof. Walter Obwexer (Universität Innsbruck) noch im Auftrag der alten Landesregierung unter Luis Durnwalder (SVP).
Das Ergebnis ist, wie den Ausführungen der beiden Autoren entnommen werden kann, durchwachsen. Neben Bereichen, die ins Unionsrecht übergeführt wurden sowie neuen Zuständigkeiten, die im Laufe der Jahre erkämpft werden konnten, musste seit 1992 durchaus auch die einseitige Zurücknahme von Autonomierechten hingenommen werden — zum Beispiel durch die sogenannten transversalen Zuständigkeiten des Staates oder die Rechtssprechung des Verfassungsgerichts.
Diese einseitige Zurücknahme ist besonders brisant, da sie im Grunde einen Vertragsbruch bedeutet. Selbst in der Verbalnote des österreichischen Außenministeriums vom 11. Juni 1992, der sogenannten »Streitbeilegungserklärung«, die sich heute zum 25. Mal jährt, steht unter Punkt 6:
Die österreichische Regierung geht unter Beibehaltung ihrer Verantwortung als Unterzeichner des Pariser Abkommens davon aus, daß die von der italienischen Regierung im Interesse der Volksgruppen Südtirols durchgeführten Maßnahmen und somit das Autonomiestatut 1972 mit seinen Durchführungsbestimmungen, ordentlichen Gesetzen und Verwaltungsakten, wie es aus dem Anhang zur Note vom 22. April 1992 hervorgeht, nicht einseitig abgeändert werden, sondern, wie der italienische Ministerpräsident in seinen Parlamentserklärungen vom 30. Jänner 1992, welche der österreichischen Seite mit der genannten Note vom 22. April übermittelt wurden, festgestellt hat, nur im Rahmen der gemeinsamen Verantwortung und des bereits bisher zwischen der Zentralgewalt und den betroffenen Volksgruppen erreichten politischen Konsenses, welche auch für den Fall fortdauern müssen, daß normative Änderungen erforderlich werden sollten.
Es ist zwar löblich, dass erstens diese Studie in Auftrag gegeben wurde (deren Erhebungszeitraum von 1992 bis 2015 reicht) und dass Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) nun für die Wiederherstellung der gestrichenen Zuständigkeiten kämpfen will. Trotzdem muss auch gesagt werden, dass unsere Autonomie somit unter den ständigen zentralistischen Angriffen um mindestens 25 Jahre zurückgeworfen wurde (manche gestrichene Kompetenzen waren ja deutlich älter), womit in den betroffenen Bereichen über eine Generation »verloren gegangen« ist. Ob und wann die zurückgenommenen Zuständigkeiten überhaupt wiedererlangt werden können, steht zudem in den Sternen.
Die Studie von Happacher und Obwexer soll in Kürze online verfügbar sein.
Nachtrag: Die Studie
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