Die Auswirkungen der angestrebten Eigenstaatlichkeit auf die katalanische Wirtschaft bewegt und besorgt viele Katalanen, die bald vor dieser Entscheidung stehen. Auch in Schottland ließ es sich 2014 beobachten, dass die Sorge um die Renten, die gemeinsame Währung, das gemeinsame Staatsvermögen viele Schotten vor dem Schritt (Votum) zur Unabhängigkeit zurückschrecken ließ. Im Vorfeld der Volksabstimmung in Katalonien werden dort auch folgende Fragen diskutiert:
- Wird das zukünftig unabhängige Katalonien innerhalb der EU und der Eurozone verbleiben?
- Wie werden die öffentlichen Schulden und das Vermögen zwischen Madrid und Barcelona aufgeteilt?
- Wird Katalonien über ausreichend öffentliche Einnahmen verfügen und seine bzw. geerbte Staatsschulden bedienen können?
- Wird die Rentenversicherung gesichert sein?
- Werden Sozialleistungen nach der Unabhängigkeit ausgebaut werden können?
- Wie wird sich das katalanische Steuersystem ändern?
Dabei werden von Fachleuten auch negative Szenarien in Rechnung gestellt, wie z.B. ein massiver Boykott katalanischer Produkte und Unternehmen in Spanien, die Abwanderung von spanischen und ausländischen Unternehmen aus Katalonien, die Blockade der EU-Mitgliedschaft durch Madrid. Eine spannende Publikation geht auf all diese Aspekte ein: “The Economy of Catalonia – Questions and answers on the impact of independence”, verfasst von einer 17-köpfigen Expertenkommission, im katalanischen Original schon 2014 erschienen, jetzt auch auf Englisch verfügbar. Darin wird die wirtschaftliche Machbarkeit der Unabhängigkeit Kataloniens im Detail begutachtet, und zwar mit zwei möglichen Szenarien: zum einen innerhalb der EU und des Euro, zum andern außerhalb der EU und der Gemeinschaftswährung.
Die allgemeine Schlussfolgerung der Studie war fast zu erwarten: ein unabhängiges Katalonien ist wirtschaftlich lebensfähig, auch zunächst außerhalb der EU. Wie könnte es auch anders sein, wo doch viele kleinere, wirtschaftlich abhängigere und weniger leistungsfähige Länder mit einem weit geringeren BIP pro Kopf gut leben. Katalonien wäre größer als 13 bestehende europäische Staaten und würde sich vor Italien in der oberen Hälfte der EU-Länder einreihen. Kleinere und mittlere Staaten können in Europa bestens bestehen, so die Autoren, sofern sie in den gemeinsamen Markt eingebettet bleiben. Dann wird die wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr durch die geringe Größe des eigenen Binnenmarktes bestimmt. Die internationale Verflechtung erfordert eine entsprechend offene Wirtschaft. Ein isoliertes, auf sich selbst gestelltes Katalonien wäre zwar lebensfähig, hätte aber starke Einbußen zu erleiden.
Die Unabhängigkeit würde Katalonien in die Lage versetzen, sein Steueraufkommen selbst zu verwalten, die Infrastrukturdefizite auszugleichen, seine Wirtschaftspolitik, Steuersystem und soziales Sicherungssystem selbst zu gestalten. So ähnlich würde das wohl auch für Südtirol klingen. Allerdings hat Katalonien allein schon dank seiner Größe bessere Ausgangsbedingungen.
Risiken orten die Verfasser der Studie dennoch. Eines seien nämlich die wirtschaftlichen Kosten der Trennung von Spanien, die man mittelfristig gut bewältigen könne. Etwas anderes seien die politischen Kosten dieser Loslösung. Madrid könne der Unabhängigkeit und EU-Mitgliedschaft Kataloniens noch viele Prügel in den Weg legen, die weit mehr Kosten als die reine Trennung verursachen würden. Die katalanischen Ökonomen meinen damit nicht nur den Boykott katalanischer Waren und die Abwanderung spanischer Unternehmen, sondern eine Art Blockadepolitik Madrids bezüglich des Verbleibs Kataloniens in der EU und Eurozone. Doch auch eine solche Linie könne Kataloniens Willen zur Unabhängigkeit nicht aufhalten.
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