Brigitte Foppa wurde von einem Redakteur der Neuen Südtiroler Tageszeitung zum Thema religiöse Symbole im öffentlichen Raum befragt. Laut eigener Aussage habe sie gesagt, dass
wenn sich die Gesellschaft wandelt und nicht mehr nur eine Religion ihre von der Verfassung verbrieften Rechte leben will, werden wir uns über die Präsenz von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum neu verständigen müssen.
Eine Entfernung der Kruzifixe aus den Schulklassen habe sie nicht explizit gefordert. Und selbst wenn sie das getan hätte, wäre das in einer liberalen Demokratie ein völlig legitimer Ausdruck von Meinungsfreiheit und eine Forderung, die man teilen kann oder auch nicht.
Was dann – vor allem auf diversen Social-Media-Plattformen – passierte, zeichnet ein erschreckendes Bild vom Zustand unserer demokratischen Diskussionskultur und unserer Achtung voreinander (vulgo Anstand), wie ein Artikel auf salto.bz dokumentiert.
Foppa richte sich mit ihren Aussagen (was auch immer diese genau waren) gegen “unsere Religion, unser Land und unsere Leute”, war noch das harmloseste, was die selbsternannten Retter des Abendlandes mit Deutungshoheit so von sich gegeben haben. Jemand, der so denkt wie Foppa, ist also kein Teil unserer Gemeinschaft in Südtirol, die ja bekanntlich 100 Prozent homogen ist. Und “die linken miaset manmit den gonzn gsindl mit oschiabn !” schlägt ein gewisser Moritz I. vor. Andersdenkende des Landes verweisen – das hatten wir schon mal.
Einen Schritt weiter geht Walter F.: “i tat di Foppa afn Kreiz auinogln”. Ungeachtet dessen, dass eine solche Aussage ungeheuerlich dumm ist und einen Straftatbestand darstellt, der streng verfolgt gehört, ehe derartige Hassbotschaften noch salonfähiger werden, als sie es bereits sind und irgendwann tatsächlich Handlungen nach sich ziehen, ist der Sager auch noch paradox. Jemand, der die Anbringung des christlichen Kreuzes mit solchen Worten verteidigt, hat ganz offensichtlich vom heutigen Selbstverständnis des Christentums und der Botschaft Jesu Christi nicht wirklich viel verstanden. Zudem hängt der Schreiber einer Ideologie an, die sich von jener der militanten Islamisten kaum unterscheidet. Auch diese wünschen Andersdenkenden und Andersgläubigen den Tod.
Desweiteren wird Foppa die Beleidigung der christlichen Religion vorgeworfen. Inwiefern es jedoch eine Beleidigung ist, wenn jemand die konsequente Durchsetzung eines laizistischen Staates fordert, erschließt sich mir nicht ganz. Da ist es schon beleidigender, wenn Kommentatoren die Beibehaltung der Kreuze mit “Tradition” begründen und somit die religiöse Überzeugung Gläubiger zur reinen Folklore degradieren.
Generell scheinen viele ein Problem damit zu haben, den Unterschied zwischen öffentlicher und privater Verwendung religiöser Symbole zu verstehen. “Is Kopftuach verteidign, obr die Kreize oheng welln”, heißt es in vielen Kommentaren sinngemäß. Wir leben in einem (mittlerweile) laizistischen Staat, in dem Kirche und Staat getrennt sind und Religionsfreiheit garantiert ist. Der Staat verhält sich den unterschiedlichen Religionen gegenüber neutral. Das ist einer der Grundpfeiler unserer auf freiheitlichen Grundwerten basierenden Demokratie. Das Tragen eines Kopftuches oder einer jüdischen Kippa (auch im öffentlichen Raum und sofern kein Zwang dahinter steckt), eine Fronleichnamsprozession, das Ordensgewand einer Nonne, ein Kreuz-Tattoo auf dem Oberarm sind ein privater Ausdruck religiöser Überzeugung, der durch Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt ist. Wenn in Schulen und Gerichten allerdings religiöse Symbole (nur einer Religion zumal) vorhanden sind, kann man durchaus argumentieren, dass der Staat seine Neutralität und laizistische Ausrichtung verletzt, wenngleich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte durch das Anbringen des Kruzifixes in Schulklassen mit 2011 keinen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sieht. Zwei Jahre zuvor hatte er noch gegenteilig befunden. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat hingegen entschieden, dass verpflichtende Kruzifixe in bayerischen Schulklassen verfassungswidrig seien.
Interessant ist auch, wenn Foppa nahegelegt wird, dass sie in Saudi-Arabien oder dem Iran einmal solch blasphemische Forderungen erheben und zusehen möge, was dann passiert. Diese Staaten, die zu jeder Gelegenheit – zurecht – als Beispiel für Rückständigkeit zitiert werden, wenn es um religiöse Toleranz geht, sollen auf einmal der Maßstab dafür sein, was man in einer westlichen Demokratie fordern darf und was nicht.
Aber was rede ich da. Die Diskussion ist sowieso beendet und jedes weitere Wort überflüssig. Das sage nicht ich, sondern das verordnet Günther Heidegger in einem Kommentar im Tagblatt Dolomiten: “Unsere Kreuze bleiben!”
Recht hat er. Sachlich argumentieren und auf Augenhöhe diskutieren ist ja so 20. Jahrhundert. Wo kämen wir hin, wenn wir jede Häresie einfach so zuließen? Wahrscheinlich raus aus dem Mittelalter.
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