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Bericht: Rdv mit Sven Knoll.

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Wie bereits erwähnt, hat vor wenigen Tagen ein kurzes Treffen zwischen Sven Knoll (STF) und Harald Mair (SVP) für die Arbeitsgruppe Selbstbestimmung sowie Wolfgang Niederhofer und mir für stattgefunden. Diese Gelegenheit verdanken wir Harald, der mich vor Wochen auch dazu eingeladen hatte, einen Beitrag für die Publikation der Arbeitsgruppe zu verfassen.

Ich will gleich vorwegnehmen, dass die Zusammenkunft überraschend positiv ausgefallen ist, und zwar freilich nicht tout court, sondern gemessen an meinen Erwartungen. Die beiden Mitglieder der Arbeitsgruppe haben sich als interessierte Zuhörer erwiesen und teilweise Zustimmung für unser Projekt gezeigt. Einige Positionen, die ich von Sven Knoll so nicht kannte, heben sich deutlich von dem ab, was man ihm allgemein zuschreibt. Natürlich bin ich nicht so blauäugig zu glauben, dass er in einem Treffen mit den Schützen oder dem Heimatbund nicht zum Teil völlig konträre Positionen verteten würde. Doch das steht auf einem anderen Blatt.

Am Anfang des Treffens habe ich kurz erläutert, warum ich einer Mitarbeit bei der Publikation der Arbeitsgruppe — und übrigens im Gremium selbst — sehr kritisch gegenüberstehe. Für Leser dieses Blogs liegen die Gründe auf der Hand: Einerseits besteht die Gefahr einer faktischen oder zumindest öffentlich perzipierten Vereinnahmung von durch die Arbeitsgruppe, andererseits hätte mein Beitrag nichts anderes als eine klare Distanzierung von den Irrwegen der Patrioten sein können — also das genaue Gegenteil einer Win-Win-Situation. Eine Mitgliedschaft in der Arbeitsgruppe scheitert bereits an deren ideologischer Ausrichtung, angesichts derer höchstens als sozialdemokratisches Feigenblatt dienen könnte. Eine effektive Balancierung wäre bei den derzeitigen Verhältnissen unmöglich.

Anschließend haben wir uns mit dem »gemeinsamen« Thema Selbstbestimmung befasst. Was deren Durchführbarkeit betrifft, waren wir uns nach Nennung mehrerer Möglichkeiten jedoch schnell einig, dass eine Berufung auf das Völkerrecht und die damit verbundene Anerkennung durch Drittstaaten nicht plausibel ist. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ist der einzige Gradmesser für den Erfolg einer Unabhängigkeitserklärung, doch es ist kaum zu erwarten, dass die internationale Gemeinschaft etwa auf eine einseitige Proklamation durch den Südtiroler Landtag reagieren würde.

Weder die Süd-Tiroler Freiheit noch die Arbeitsgruppe haben eine konkrete Vorstellung, wie man das Ziel Unabhängigkeit erlangen könnte — obschon sie immerhin eine ganze Reihe von Szenarien durchgespielt haben. Schlimmer noch, sie haben auch kein klares Szenario für das »Danach« entwickelt. Die Selbstbestimmung als reiner Selbstzweck. Für eine Partei, die daraus ihren wichtigsten Programmpunkt gemacht hat, ist dies ein offensichtliches Manko. Andererseits ist da wo noch nichts ist auch noch (fast) alles möglich. Soll heißen: Wenn die Süd-Tiroler Freiheit noch kein Gesamtkonzept definiert hat, ist sie wenigstens noch »formbar«.

Sven Knoll persönlich favorisiert die Rückkehr zu Österreich, obwohl er auch die »Freistaatlösung« akzeptieren würde. Er würde jedoch mit Österreich eine Vollautonomie aushandeln, was mich unweigerlich an die Färöer-Inseln erinnert hat. Für sein Modell hat er mehrere Gründe genannt: Eine Anerkennung durch Drittstaaten wäre dann erst gar nicht nötig; die Vollautonomie würde Italiener und Ladiner nicht in einen fremden Nationalstaat katapultieren; außerdem könnte man fehlende eigene Institutionen (höchste Gerichte zum Beispiel) mit Österreich gemeinsam finanzieren und betreiben.

Mit einer Lösung, die uns wieder bei 1945 und der Aushandlung einer Autonomie beginnen lässt, kann ich jedoch nichts anfangen. Davon abgesehe sind Territorialverschiebungen zwischen zwei Staaten sicher vergleichsweise unproblematisch, aber nur unter der Voraussetzung der Einvernehmlichkeit. Und warum sollte Italien mit einer Abtretung Südtirols an Österreich einverstanden sein? Mir fallen noch jede Menge weitere Fragen dazu ein. Zum Beispiel: Warum sollte dieses Modell nicht auch mit Italien durchführbar sein? Wie sollen österreichische Institutionen die (sprachlichen) Rechte von Italienern und Ladinern garantieren? Aus welchem Grund sollten die normalen österreichischen Bundesländer dieses Südtiroler Privileg akzeptieren? Und warum sollten wir nach dem Einsatz für die »Freiheit« nicht auch wirklich die Verantwortung dafür übernehmen (und damit hochqualifizierte Arbeitsplätze in Südtirol schaffen)?

Wolfgang und ich haben zunächst deutlich gemacht, dass unserer Meinung nach nicht der Weg, sondern der Wille am wichtigsten sei. Was aber den Weg betreffe, lege den Schwerpunkt auf die Beschreitung neuer Wege innerhalb der Europäischen Union. Die EU wird sich auf Dauer nicht gegen Grenzverschiebungen verschließen können, gerade wenn sie den Grundsatz vertritt, dass Grenzen de facto nicht mehr existieren. Dann nämlich wäre die Aufrechterhaltung einer administrativen Einteilung gegen den Willen der Bevölkerung umso undemokratischer.
Man müsse zusammen mit anderen gleichgesinnten Regionen auf allen Ebenen einen konstanten Druck ausüben und gemeinsam dafür sorgen, dass früher oder später eine konkrete Möglichkeit für Unabhängigkeitsbestrebungen in der EU geschaffen wird. Wir waren einer Meinung, dass Schottland und Katalonien — so es die dortige Bevölkerungsmehrheit wünscht — den Schritt in die Unabhängigkeit vor uns gehen werden, weil die dortigen gesellschaftlichen Bestrebungen schon viel weiter gediehen sind als hierzulande.

Ich habe auch die Kreativität der Katalanen erwähnt, zum Beispiel was die selbstverwalteten Unabhängigkeitsreferenda als (beeindruckendes) politisches Druckmittel betrifft. Eine Nachahmung wäre bei uns heute jedoch undenkbar, weil einerseits noch zu wenige Bürger daran teilnehmen würden und es — vor allem — an gesellschaftlicher Kohäsion und einem »inklusivistischen« Projekt fehle. Eine ähnliche Initiative würde in Südtirol zu einem inner- und interethnischen Kleinkrieg führen.

Bevor wir also an die Umsetzung denken, müssen wir ein Konzept ausarbeiten, wie man Südtiroler aller Sprachgruppen und Gesellschaftsschichten (einschließlich der Zuwanderer) in ein Projekt für ein neues, besseres und mehrsprachiges Südtirol einbinden kann. Wie ich klar gemacht habe, würde ich für eine Option, die nicht darauf setzt, keinen Finger krumm machen. Während des Gesprächs ist mir auch klar geworden — klarer als sonst — dass ohne ein Projekt, das alle einbindet, keine Mehrheit für die Unabhängigkeit zu schaffen ist. Selbst die Patrioten scheinen dies mittlerweile verstanden zu haben, und dies beruhigt mich. Wer würde angesichts der recht soliden Istsituation einen Sprung ins Ungewisse (oder in die Vergangenheit) wagen?

Deutlicher als bisher habe ich auch verstanden, dass sich eine Zusammenarbeit nicht auf das Mittel (die Selbstbestimmung), sondern auf den Zweck (das Konzept für das “Danach”) beziehen muss. Eine Arbeitsgruppe Selbstbestimmung hat für die Brennerbasisdemokratie keinen Sinn.
Was die gesellschaftliche Einbindung betrifft meinte Sven Knoll aber auch, man habe doch schon oft versucht, die Italiener anzusprechen, und zähle im Übrigen sogar mehrere italienische Parteimitglieder. Die Medien würden dies jedoch weder zur Kenntnis nehmen noch in irgendeiner Form honorieren. Dazu ist jedoch zu sagen, dass die Einbindung aller Sprachgruppen und die Ausarbeitung eines gesamtgesellschaftlichen Projekts keine Halbherzigkeit kennen dürfen. Alles andere wird richtigerweise als Opportunismus eingestuft werden. Italiener, die wie Deutsche denken und handeln, reichen als Basis für ein solches Projekt nicht aus. Man muss schon auf die italienische Sprachgruppe als solche und ihre teilweise komplexen und durchaus berechtigten Bedenken eingehen, um den nötigen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erzielen. Dies heißt nicht, den Neofaschisten nach dem Mund zu reden, sondern neue Lösungen anzubieten.

Aufgrund ihres scharfen Profils, so haben wir provokativ (aber durchaus ernstgemeint) bemerkt, wäre gerade eine Partei wie die Süd-Tiroler Freiheit dazu prädestiniert, offensiv ein Modell voranzutreiben, das post-ethnisch ausgerichte ist und somit allen Südtirolern ungeachtet der Sprachgruppe eine deutliche Verbesserung verspricht. Doch dann muss die Partei auch ein sprachgruppenübergreifendes politisches Projekt definieren, positionieren und entsprechend offensiv agieren, sodass gar kein Zweifel an ihrer diesbezüglichen Einstellung mehr aufkommen kann. Das geht nicht von einem Tag auf den nächsten, und man muss bereit sein, einen Teil der derzeitigen, radikalen Klientel zu verlieren.
Nur dadurch, dass man eine Publikation und eine verschwindend kleine Menge Plakate auch auf Italienisch druckt — was Knoll als Beispiele nannte — wird man aber kein sprachübergreifendes Projekt positionieren, angenommen man hat eines. Wenn die Süd-Tiroler Freiheit an ihrer klaren Linie zugunsten der Selbstbestimmung festhält, kann sie viel problemloser offensiv mehrsprachig agieren, als etwa die Volkspartei mit ihrem »Wischiwaschikurs«. Den müsste man erst schärfen.

Sven Knoll war ganz unserer Meinung, dass für die Italiener bereits vor der Abspaltung von Italien ein verbindlicher Katalog an Mindeststandards festgeschrieben werden und — nach meinem Dafürhalten — zum Beispiel vor einem internationalen Gremium hinterlegt werden müsste. Dies nur als Garantie dafür, dass gewisse Maßstäbe auf jeden Fall eingehalten werden, und nicht als Grundlage für ein neues »Paket«. Man müsse sich im Übrigen selbst daran messen (und von anderen messen lassen) inwieweit man es schafft, auch die Unabhängigkeitsgegner miteinzubeziehen und — vor allem bei den Italienern — dafür zu sorgen, dass sie nicht von Südtirol abwandern. Wir konnten Sven sogar darauf festlegen, dass man in einem unabhängigen Südtirol die Italiener und Ladiner asymmetrisch fördern müsste, indem man ihnen weit über ihre tatsächliche zahlenmäßige Relevanz hinaus Bedeutung beimisst. Dies in Hinblick auf eine Entwicklung, die die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Sprachgruppe völlig nachrangig macht.

Was etwa Schulmodelle betrifft, hat Wolfgang sehr viel Wert darauf gelegt, dass man in einem unabhängigen Südtirol ohne Untergangsszenarien die modernsten Spracherlernungsmethoden anwenden könnte und zum Beispiel — nach Festlegung südtirolweiter Mindeststandards — den Schulen volle Autonomie in der Umsetzung von innovativen Projekten lassen könnte. Die heutige »Urangst« könnte endlich der absoluten Offenheit weichen. Selbst damit war Sven — anders als Harald — grundsätzlich einverstanden.

Abschließend kann man sagen, dass vielleicht nicht wirklich viele Übereinstimmungen zwischen und Süd-Tiroler Freiheit (respektive Arbeitsgruppe Selbstbestimmung) bestehen. Der Wille, einander zuzuhören ist jedoch vorhanden, und das ist immerhin eine Grundlage für einen — auch regelmäßigen — Gedankenaustausch.

Und auf jeden Fall hat Sven Knoll (der gesagt hat, er lese dieses Blog, da es schließlich wichtig sei, sich einen Spiegel vorhalten zu lassen) mit diesem Treffen das zweifelhafte Privileg erworben, von noch öfter und deutlicher kritisiert zu werden als bisher. Denn ich kritisiere mit Vorliebe jene (z.B. die Grünen), an die ich auch eine gewisse Erwartung habe.


Alle Teilnehmer haben der Veröffentlichung eines Berichts zugestimmt. Einseitigkeit ist unvermeidlich und teilweise ausdrücklich gewollt. Sollte ich jedoch etwas falsch wiedergegeben haben, bin ich gerne bereit eine Richtigstellung zu veröffentlichen.



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Comentârs

6 responses to “Bericht: Rdv mit Sven Knoll.”

  1. otto avatar
    otto

    vielleicht einfach auch mit den grünen ein gespräch anbahnen?

  2. gadilu avatar
    gadilu

    In attesa della versione definitiva di questo resoconto, butto giù un pensiero che mi viene spontaneo. È indubbiamente positivo che Sven Knoll abbia ritenuto interessante confrontarsi con il punto di vista di BBD. Del resto, solo in questo modo esiste per lui una concreta possibilità  di confrontare le sue idee sull’autodeterminazione con chi, come noi, ha già  discusso della questione a un livello più approfondito dei suoi usuali interlocutori. Ma proprio qui subentra la difficoltà  più macroscopica. L’impostazione degli autodeterministi classici (à  la Knoll, insomma) è votata allo scacco ma è sufficiente a capitalizzare un buon numero di voti (voti che non servono a nulla, ovviamente). Se Knoll invece volesse davvero porsi il compito (compito gigantesco) di favorire qualcosa come il distacco del Sudtirolo dall’Italia è evidente che dovrebbe rivoluzionare (ampliare, radicalizzare, insomma cambiare radicalmente) la propria impostazione (e tu gli hai suggerito in che modo). Così facendo è però sicuro che egli perderebbe anche voti (o almeno: perderebbe molti voti tra quelli che finora l’hanno sostenuto e non è affatto certo che sarebbe in grado di pescarne altrove)…. Dunque?

  3. pérvasion avatar

    Wie ich oben auch geschrieben habe:

    Das geht nicht von einem Tag auf den nächsten, und man muss bereit sein, einen Teil der derzeitigen, radikalen Klientel zu verlieren.

    Also… muss man bereit sein, diesen Weg zu gehen. Es sei denn, man strebt nur ein paar gemütliche Jahre im Landtag an.

  4. fabivS avatar
    fabivS

    hmmm… scusate se sono un po’ tardo, ma mi resta un po’ da capire che voti perderebbe SF… credete davvero che per ripicca verso un Sudtirolo trilingue ed indipendente, gli estremisti più esaltati voterebbero di rimanere in Italia coi loro “aguzzini”, come li chiamano di tanto in tanto? Mah, la vedo dura!

  5. gadilu avatar
    gadilu

    Vedi Fabius, un passo importante sarebbe proprio quello di non vedere più l’Italia e gli italiani come aguzzini (il che è anche una penosa falsità ). Ti sembra possibile, per certa gente?

  6. fabivS avatar
    fabivS

    Vedi, Gadilu, alcuni Sudtirolesi hanno quello che io chiamo il “complesso dell’ebreo”: cioè dopo aver subito come popolo una grave ingiustizia sono sempre lì sul chi va là  e gridano “al lupo” ogni volta che vi è appena una misera parvenza che la cosa si possa ripetere. Ma non si rendono conto di quella che è la realtà , perchè la loro atavica paura è così totalizzante da impedirgli di vederla.

    Chi dice che gli italiani sono degli aguzzini sono in massima parte gente in qualche modo personalmente collegata alla repressione degli attentati degli anni ’60 più qualche giovane completamente suonato.
    Se magari poi qualcuno evitasse di mandare più polizia a una piccola manifestazione a Brunico di quanta ne servisse per il mega corteo di Innsbruck. Se Davide Orfino & C. la smettessero di giocare a fare i mastini dello Stato che tengono d’occhio i secessionisti. Se si creasse una coscienza collettiva meno negazionista di quel che è stata la disgrazia dei sudtirolesi, alla fine per inerzia persino i più duri dovrebbero ammettere la realtà  e quelli meno duri avrebbero il coraggio di contraddirli.

    Io però mi riferisco sempre alle persone, non allo Stato. Riguardo alle istituzioni ognuno può credere quello che vuole ed io mi son fatto col tempo l’idea che tante delle “spine” che rendono lo Stato italiano ingrato a molti sudtirolesi siano le stesse ovvie recriminazioni che abbiamo noi e non tanto la componente etnica.

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