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Alpha, Beta, CETA.

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Wenn man, wie das Parlament der Wallonie, CETA in der derzeitigen Form ablehnt, wird man von Befürwortern, Machern und Staatsmedien schnell als Freihandelsgegner, Anti-Europäer, Verhinderer, Rechts- oder Linksextremist, Angstmacher und vielleicht sogar noch als Anti-Demokrat diskreditiert.

Ich möchte kurz die Berechtigung für jede einzelne dieser Betitelungen widerlegen.

Freihandelsgegner
Wenn jemand das herrschende Demokratiedefizit in der EU (mangelnde Gewaltenteilung, Initiativrecht bei der Kommission usw.) kritisiert, heißt das nicht, dass man automatisch EU-Gegner ist. Im Gegenteil. Vielfach möchte man die EU einfach nur verbessern, weil sie einem am Herzen liegt. Ähnlich ist es mit Freihandel. Man kann Regeln, die den Handel und Warenverkehr erleichtern, im Prinzip positiv gegenüber stehen und gleichzeitig private Schiedsgerichte und unausgewogenen, über öffentlicher Daseinsvorsorge sowie Umwelt- und Verbraucherschutz stehenden Investorenschutz blöd finden. So jemanden als Freihandelsgegner zu bezeichnen ist ungefähr so, wie wenn man jemanden als McDonalds-Cheeseburger-Feind betitelt, nur weil dieser die grausliche Gurke nicht schlucken will und sie rausgibt, bevor er genüsslich in den Cheeseburger beißt.

Anti-Europäer
Jemand, der sich für jene Grundsätze einsetzt, die Europa – neben Australien, Kanada und Neuseeland – zum lebenswertesten Flecken dieser Erde gemacht haben – so behaupten zumindest zahlreiche Studien – der kann kein Anti-Europäer sein. Zu diesen Grundwerten gehören unter anderem die unabhängige öffentliche Justiz, das transparente demokratische Zustandekommen von Regeln und das auf Solidarität aufbauende Gemeinwesen. Wenn man als Europäer den Verdacht hat, dass diese Grundwerte Schaden nehmen oder – zumal von der EU selbst – ausgehöhlt werden könnten, ist man meiner Meinung nach verpflichtet, aktiv für diese Werte einzutreten.

Verhinderer
Dass viele Menschen mittlerweile zu “Verhinderern” wurden, liegt einzig und allein am Zustandekommen des Abkommens und am intransparenten Prozess. Wollte die Öffentlichkeit in der Frühphase der Geheimverhandlungen Informationen haben, wurde sie mit einem “Dafür ist es noch zu früh” abgespeist. Als dann das Ergebnis Jahre später, nach einigen Nachbesserungen und Pseudo-Beteiligungsinitiativen zwar, als “Friss-oder-stirb-Dokument” präsentiert wurde und viele zwar vielleicht nicht den ganzen Cheeseburger aber zumindest die Gurke nicht Essen wollten, hieß es “Für Änderungen ist es nach all den Jahren der intensiven Verhandlungen jetzt zu spät”.

Links- oder Rechtsextremist
Es gibt viele Gründe, fernab jeglichen Extremismus, die sowohl für als auch gegen Freihandelsabkommen im Allgemeinen und CETA im Speziellen sprechen. Wenn man die Garantie der öffentlichen Daseinsvorsorge höher gewichtet als ein paar Zehntelprozentpunkte Wirtschaftswachstum, ist das nicht notwendigerweise linksextrem. Wenn man in Zeiten des Klimawandels nicht glaubt, dass jede Ware und Dienstleistung auf dem globalen Markt gehandelt werden muss und man auf kurze Transportwege und regionale Kreisläufe setzen möchte, ist man ob dieser Form des Protektionismus nicht zwingend rechtsextrem. Wenn man Freihandel zwischen wirtschaftlich sehr ungleichen Regionen ablehnt (Stichwort: Ostafrikadeal der EU), weil meist der Stärkere durch seinen wirtschaftlichen Vorsprung mehr profitiert als der Schwächere und sich das Ungleichgewicht weiter verschärft, dann muss man deshalb kein Extremist sein.

Angstmacher
Angst gibt es nur dort, wo es keine neutralen, sachlichen und transparenten Informationen gibt. Wenn Menschen sich ausgeschlossen fühlen, haben Angstmacher ein leichtes Spiel. Die Tatsache, dass – zumindest bei TTIP – umstrittene Regelungen, wie eben jene zum Investorenschutz, nicht freiwillig zur Diskussion gestellt wurden, sondern nur über “Leaks” an die Öffentlichkeit gelangten und in der Folge aufgrund des öffentlichen Drucks nachgebessert wurden, zeugen von einem anti-demokratischen Verfahren, das wenig überraschend zu einer weit verbreiteten und bisweilen auch berechtigten Skepsis gegenüber TTIP (und in der Folge auch CETA) geführt hat. Dass angesichts der mitunter bestätigten Vermutung, dass etwas verheimlicht werden soll, Ängste entstehen, ist die logische Folge eines Prozesses, der aufgrund seiner Intransparenz Gerüchte nahezu heraufbeschwört.

Anti-Demokrat
Wenn es jetzt heißt, dass drei Millionen Wallonen den Willen von 497 Millionen anderen Europäern verhindern und das undemokratisch sei, so ist das aus mehreren Gründen nicht ganz richtig. Zum einen sind weder die drei Millionen Wallonen, noch die 497 Millionen anderen EU-Bürger in ihrer Ansicht gegenüber CETA homogen. Laut Umfragen und angesichts von Demonstrationen mit 10.000en Teilnehmern gibt es vor allem in Deutschland und Österreich aber auch in anderen EU-Ländern große Bevölkerungsanteile, die gegen das Abkommen sind. Zudem haben sich auch Landtage, Gemeinderäte und andere Institutionen europaweit gegen CETA ausgesprochen. Des Weiteren tun politische Entscheidungsträger nicht immer das, was die Bevölkerung möchte. Solche Entscheidungen sind zwar demokratisch legitim, da sie von Repräsentanten getroffen werden, die ein freies Mandat ausüben, man kann aber eben nicht behaupten, dass sich drei Millionen gegen 497 Millionen stellen. Das war zum Beispiel bei Tony Blairs Entscheidung für den Irak-Krieg der Fall. Die britische Bevölkerung lehnte den Krieg in Umfragen großmehrheitlich ab. Der Regierungschef hat sich dennoch für die Unterstützung George W. Bushs entschieden.*
Der Vorwurf, dass der Fall Wallonie “anti-demokratisch” sei, ist noch aus einem weiteren Grund nicht haltbar. CETA wurde mittels eines Prozesses ausverhandelt, der die Bezeichnung “demokratisch” nicht verdient. (Verhandler von TTIP geben dies sogar offen zu). Geheimverhandlungen, an denen noch dazu Interessensvertreter ohne politisches Mandat teilnehmen, sind undemokratisch. Regelungen, die eine private Paralleljustiz abseits öffentlicher Kontrolle etablieren möchten, sind undemokratisch. Dass Leute, die das Abkommen aus diesen Gründen nun genauer unter die Lupe nehmen und nicht jede einzelne Gurke schlucken möchten, von jenen, die das anti-demokratische Schauspiel veranstaltet haben, als Anti-Demokraten bezeichnet werden, ist grotesk.

* Vor Beginn des Krieges im März 2003 war eine knappe Mehrheit von 50 Prozent der Bevölkerung für die militärische Intervention. Bereits im September 2003 kippte die Meinung und die Zustimmung der Briten zu diesem Krieg ist seither im Fallen begriffen.

Cëla enghe: 01 02



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Comentârs

8 responses to “Alpha, Beta, CETA.”

  1. Harald Knoflach avatar

    alles was ich geschrieben habe, lässt sich auch so ausdrücken:
    http://www.der-postillon.com/2016/10/ceta-tagesschau.html

  2. Harald Knoflach avatar

    Sinngemäß habe ich in diesem Zusammenhang – ich weiß nicht mehr von wem – auch die Aussage gehört, dass sich bei früheren Abkommen ja schließlich auch niemand aufgeregt und man das immer schon so gemacht habe. Das wäre natürlich ein Argument, ein schlagkräftiges :-).

  3. succus avatar
    succus

    Man kann Regeln, die den Handel und Warenverkehr erleichtern, im Prinzip positiv gegenüber stehen und gleichzeitig private Schiedsgerichte und unausgewogenen, über öffentlicher Daseinsvorsorge sowie Umwelt- und Verbraucherschutz stehenden Investorenschutz blöd finden.

    Hier triffst du es auf den Punkt. Was gerade hier abläuft, ist sehr schmerzlich, denn Freihandel wird so negativ besetzt, dass viele fast reflexartig “Nein!” schreien. Die ganze EU ist nichts anderes als eine Freihandelzone und die allermeisten Menschen haben es zumindest vor 10-15 Jahren als Segen empfunden. Ich kann mich noch erinnern, wie man manchmal an der Brennergrenze gezittert hat, wenn man beispielsweise mit dem hart ersparten Geld als Student einen Computer oder Stereoanlage von Deutschland nach Italien brachte. Ich glaube der Freihandel ist grundsätzlich gut, es geht um die Ausgestaltung, klar muss der Verbraucherschutz und Standards höchste Priorität erhalten, alles andere wäre sicherlich kein Fortschritt. Auch kann der Freihandel so ausgestaltet werden, dass eine Seite begünstigt wird, so beispielsweise könnte man mit Afrika verfahren, heute ist es leider umgekehrt. Dies wäre die beste Entwicklungshilfe und für uns die beste Maßnahme um die Migrantenströme aus diesen Ländern einzudämmen. Klassische Entwicklungshilfe ist gut gemeint, aber nicht einmal ein Tropfen auf dem heissen Stein.

  4. succus avatar
    succus

    Wenn es jetzt heißt, dass drei Millionen Wallonen den Willen von 497 Millionen anderen Europäern verhindern und das undemokratisch sei, so ist das aus mehreren Gründen nicht ganz richtig.

    Hier wird der “schwarze Peter” einer Region zugeschoben, in Wirklichkeit zeigt sich hier wieder einmal exemplarisch, dass unsere Nationalstaaten die EU zu sehr dominieren. Es hängt dann folglich von den Regelungen der einzelnen Nationalstaaten ab, ob CETA oder TTIP zugestimmt wird. Hätten wir, wie es beispielsweise Ulrike Gueròt vorschlägt, eine demokratische EU ohne Nationalstaaten, wäre die Diskussion vielleicht ganz anders verlaufen. Dann käme es auf das Parlament und der 2. Kammer mit den Regionen an, ob CETA zugestimmt worden wäre. Die Verhandlungen wären wahrscheinlich transparenter verlaufen, die Standards höher. Wahrscheinlich hätte eine Region allein auch nicht alles blockieren können, vielmehr wäre durch einen echten demokratischen Prozess eine Mehrheit zustande gekommen.

    1. TirolaBua avatar
      TirolaBua

      Das hat nix mit Nationalstaaten zu tun. Die EU ist und bleibt ein undemokratisches Gebilde, das nur dazu da ist um Geld zu verschwenden.

  5. Egon Pramstrahler avatar
    Egon Pramstrahler

    Danke für diesen Artikel!

    Ich möchte eine Sache generell bemerken: ständig wird betont Wollonien sei doch “nur eine Region”.
    Ich möchte auch mal daran erinnen, dass diese “kleine” Region immer noch grösser ist als viele der EU Mitgliedsstaaten.
    Malta, Luxemburg, Lettland, Littauen, Slowenien, Estland, Zypern sind alle zum Teil deutlich kleiner als Wallonien, aber nunmal Nationalstaaten. Soll das der einzige Grund sein, weshalb ein Ja oder ein Nein von ihnen “demokratischer” wäre?

    1. ProEuregio avatar
      ProEuregio

      und dafür eine -2 (!) …? – Warum soll eine Region nicht selbst denken?
      Heutzutage könnte man immerzu fragen: “… wo lassen Sie denken …?” – Antwort darauf: ” … na bei den Nationen …!”

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