Mittlerweile häufen sich die Forderungen zur Abschaffung des Bargeldes. Beschränkungen bei der Bezahlung mit Bargeld bestehen schon in verschiedenen Ländern und immer häufiger wird die völlige Abschaffung des Bargeldes von den USA bis Europa in den buntesten Farben als Fortschritt geschildert. Was da nicht alles versprochen wird. Von der Abschaffung der Schwarzarbeit ist die Rede, die organisierte Kriminalität würde wirksam bekämpft und im übrigen ist es sowieso schneller, bequemer, sicherer und kostengünstiger ohne Bargeld zu verkehren.
Wer schon mal an der Supermarktkassa warten musste bis Vorderfrau/Vordermann die Bancomatkarte aus der Brieftasche kramt, diese in das entsprechende Lesegerät einführt und den Pin-Code eintippt, um einen Betrag von 5 Euro 90 zu bezahlen, mag den Geschwindigkeitsvorteil schon mal ernsthaft anzweifeln, der hier angepriesen wird. Dieses Argument fällt sowieso in die Kategorie der peanuts, wenn wir die gesamte Dimension einer bargeldlosen Welt beleuchten. In Zukunft soll ja mit dem Smartphone kontaktlos bezahlt werden. Alles wird virtuell, der Bezug zu Zahlen geht vollends verloren. Während Ebbe in der Brieftasche noch eine nachvollziehbare Größe darstellt, verlieren sich die Bytes, die zwischen Banken hin und hergeschoben werden, völlig im Virtuellen.
Selbst die flächendeckende Bekämpfung der Schwarzarbeit ist volkswirtschaftlich nur oberflächlich betrachtet der große Wurf. Schon vor Jahrzehnten beschrieb die renommierte Wirtschaftszeitung The Economist, dass Schwarzarbeit bis zu einer bestimmten Größenordnung volkswirtschaftlich sogar ein Vorteil ist und zwar immer dann, wenn es sich um Mikro-Transaktionen handelt, die sonst nicht stattfinden würden. Diese Gelder kommen häufig den unteren Einkommensschichten zugute und werden schon beim übernächsten Schritt wieder Teil des legalen Wirtschaftskreislaufes, da sie 1 zu 1 in den Konsum fließen. Zudem kann, wie die FAZ schon vor etlichen Monaten aufgezeigt hat, auch in einer bargeldlosen Welt Schwarzarbeit vergütet werden, etwa durch Tauschgeschäfte, Fremdwährungen oder Kreativbezahlungen, wie z.B. Amazon-Gutscheine.
Die organisierte Kriminalität beeindruckt dies sowieso nicht. Die programmieren sich notfalls, immer laut FAZ, ihre eigenen Zahlungssysteme. Zudem, ganz glaubwürdig klingt der Aktionismus pro Abschaffung des Bargeldes in dieser Hinsicht ohnehin nicht. Steueroasen und kriminelle Geldströme könnte man bereits heute bei entsprechendem politischen Willen wirksamer austrocknen.
Ob bargeldlose Zahlungsmethoden mehr Sicherheit als Geldscheine bieten und kostengünstiger sind ist ebenfalls mehr als unsicher. Bis heute werden Bancomatkarten geklont, Kreditkartendaten missbraucht und Kontodaten geklaut. Mir wurden innerhalb 6 Wochen zwei Kreditkarten, da jemand meine Daten verwendete, automatisch gesperrt. Einmal als ich in Siebenbürgen (Rumänien) unterwegs war. Glücklicherweise verlasse ich mich als alter Globetrotter sowieso am liebsten auf Bargeld und ich geriet in keinen Engpass.
Die zu erwartenden Bankgebühren für den lückenlosen bargeldlosen Zahlungsverkehr dürften wohl ebenfalls kaum kostengünstiger sein als das heutige Bargeldsystem. Auch wenn der Konsument davon direkt nichts merkt. Irgendwo müssen auch heute schon die Kreditkarten- und POS-Gebühren in den Endpreis eingerechnet werden.
Trotzdem sind die Argumente zu mehr Sicherheit, mehr Bequemlichkeit und wirksamer Bekämpfung der Kriminalität reine Ablenkungsmanöver vom großen, geplanten Wurf unserer »Eliten« aus Politik und Großfinanz.
Die eigentliche Gefahr besteht in der Durchleuchtung unseres gesamten Zahlungsverhaltens und in der Möglichkeit der Zentralbanken und Finanzministerien zum totalen Durchgriff.
Stichwort gläserner Bürger: Schon heute hinterlassen wir eine Unmenge an Spuren, die unser Leben beinahe lückenlos nachverfolgen lassen. Durch die völlige Abschaffung des Bargeldes bewegen wir uns in eine neue Dimension. Jede auch noch so kleine Zahlung lässt sich nachvollziehen. Und von jedem Menschen lässt sich problemlos ein Konsumprofil erstellen. Schon heute besteht kein wirksamer Datenschutz. Auch in Zukunft gäbe es keine Garantie, dass diese hochsensiblen Daten nicht Akteuren in die Hände fallen, die daraus den größten Nutzen ziehen.
Stichwort Zentralbanken: Es ist ein offenes Geheimnis, dass die meisten westlichen Industriestaaten nicht in der Lage sind ihre exorbitanten Staatsschulden mit herkömmlichen Methoden (Reduzierung der Staatsausgaben, Erhöhung der Steuereinnahmen, Steigerung des Wirtschaftswachstums) zu tilgen. Da braucht es nun kreativere Methoden. Negativzinsen heißt das Zauberwort. Die FAZ vom 2.02.2016, »Wem nützen Negativzinsen?« bringt die Sache folgenderweise auf den Punkt:
Ein Negativzins ist nichts anderes als eine Art Geschenk: Nicht der Schuldner muss für den Kredit einen Zins zahlen, sondern der Anleger muss dafür zahlen, dass der Schuldner Geld von ihm annimmt. Negative Zinsen verteilen Vermögen von Gläubigern zu Schuldnern um.
Würden Vermögen auf Bankkonten nun durch Negativzinsen bestraft, würden die Sparer massiv auf Bargeld ausweichen. Das Horrorszenarium des Bankensystems. Und nun klingelt es. Wenn es kein Bargeld mehr gibt, kann auch niemand mehr darauf ausweichen.
Die Wirtschaftswoche beschreibt den Mechanismus wie folgt:
Weil die Zinssätze schon nahe null sind, könnte die Geldhaltung auf Konten mit negativen Zinsen bestraft werden. Wer Geld bei der Bank parkt, zahlt eine Gebühr. Normalerweise würden die Menschen dann auf Bargeld ausweichen, der Negativzins würde wirkungslos. Können sie aber nicht mehr bar bezahlen, würde das Geld auf die Konten getrieben – oder ausgegeben. So könnte der Konsum angekurbelt werden.
Der moderne Bürger wird zur gläsernen Konsummaschine, während unsere politische Elite mit den Steuergeldern noch leichtsinniger umgehen kann. Negativzinsen fressen auch die Staatsschulden auf.
Und was passiert, wenn man gegen diese Orwell’sche Überwachung aufbegehrt? Ja, dann steht dem Staat eine sehr wirksame Methode zur Verfügung. Entweder es wird das Konto oder das Smartphone gesperrt, und der unbequeme Bürger ist enteignet.
Klingt nach Verschwörungstheorie. Um es nicht soweit kommen zu lassen, braucht es wieder ein geschärftes Bewusstsein für die demokratisch-freiheitlichen Errungenschaften, die in den letzten Jahrhunderten mühevoll erarbeitet und erkämpft wurden. Schon heute entscheiden nicht mehr die Parlamente (z.B. TTIP Verhandlungen) über die wesentlichen Entscheidungen, und ohne wirksame direktdemokratische Mechanismen haben die BürgerInnen ohnehin nur alle 4 bis 5 Jahre die Möglichkeit, indirekt mitzubestimmen. Und selbst die sogenannte vierte Gewalt gefällt sich zusehends in der Rolle als Regierungsprecher, anstatt wirksam Kontrolle auszuüben.
Postdemokratie ante portas?
Übrigens, Bargeld ist in Münzen geschlagene Freiheit. Jeder Bürger kann ohne großen Aufwand durch mehr Bargeldzahlungen einen Beitrag zur Verteidigung dieser bürgerlichen Freiheit leisten.
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