Nun ist die plebiszitäre Wahl geschlagen, die in Katalonien für mehr Klarheit in der Selbstbestimmungsfrage sorgen sollte. Nachdem sich Madrid beharrlich geweigert hatte, der Region im Nordosten der iberischen Halbinsel eine Volksabstimmung nach schottischem Vorbild zu gewähren, hatten sich mehrere Parteien darauf geeinigt, vorgezogene Neuwahlen zum katalanischen Parlament zu einem Referendumsersatz über die Frage der Loslösung umzufunktionieren.
Die beiden größten Parteien im katalanischen Parlament, Convergència Democratica de Catalunya (CDC, liberal) und Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, links) gingen gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren (vor allem: ANC und Òmnium Cultural) in einer Gemeinschaftsliste auf, die den plebiszitären Charakter der Wahl unterstreichen sollte. Der Name — Junts pel Sì (JxS), Gemeinsam für das Ja — war Programm.
Zusammen mit der linken Candidatura d’Unitat Popular (CUP), die ebenfalls eine Abspaltung des Landes von Spanien anstrebt, erlangten die Unabhängigkeitsbefürworter von JxS (62 Sitze) — bei deutlich gestiegener Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2012 — die absolute Mehrheit im katalanischen Parlament: 72 von 135 Abgeordneten. Dabei konnte die CUP ihre Sitze von drei auf zehn mehr als verdreifachen. Sie war 2012 erstmals ins Parlament eingezogen und hatte vor allem in David Fernandez einen weit über die Parteigrenzen hinaus geschätzten und respektierten Abgeordneten.
Während also die Parteien, die eindeutig für die Unabhängigkeit einstehen und nun mit Madrid in Verhandlungen darüber eintreten wollen, 72 Sitze erringen konnten, erlangten die Unabhängigkeitsgegner von Ciutadans (Cs, 25 Sitze), Sozialisten (PSC, 16 Sitze) und der Partit Popular des spanischen Ministerpräsidenten Rajoy (PP, 11 Sitze) insgesamt nur 52 Sitze.
Mit einem vergleichsweise mageren Ergebnis musste sich die Koalition aus Podem und einem Teil der katalanischen Grünen begnügen (Catalunya Sì que es Pot, CSQEP), die auf eine Positionierung in der Unabhängigkeitsfrage verzichtete und stattdessen weiterhin für eine legale Abstimmung plädierte. Eine solche hatte Madrid jedoch während der letzten Jahre nicht gewährt. CSQEP musste sich mit 10 Sitzen begnügen und liegt somit gleichauf mit der kleinen CUP.
Nach der Auflösung des langjährigen Parteibündnisses CiU, das aus Mas’ liberaler CDC und der christdemokratischen Unió Democratica de Catalunya bestanden hatte, schaffte es letztere (UDC) gar nicht mehr ins Parlament. Ihr Vorsitzender Josep Antoni Duran i Lleida, der sich zum Erben von CiU erklärte und für eine Volksabstimmung, aber gleichzeitig für den Verbleib bei Spanien plädierte, erlebte sein größtes Debakel.
Wenigstens teilweise rächt sich nun aber trotzdem der Wahlmodus: Die Unabhängigkeitsbefürworter konnten 47,78% der WählerInnen hinter sich scharen, und damit deutlich mehr, als die Unabhängigkeitsgegner (39,14%), aber aufgrund der Anwesenheit von Parteien, die sich zur »Gretchenfrage« nicht positioniert hatten, nicht die absolute Mehrheit erlangen. Nur eine Volksabstimmung könnte hier endgültige Klarheit bringen.
Noch-Präsident Artur Mas (CDC/JxS) hatte vor der Wahl klargestellt, dass er mit einer absoluten Mehrheit im Parlament den Prozess hin zur staatlichen Unabhängigkeit fortführen wolle. Die CUP hingegen, auf die JxS angewiesen sein wird, um ihr Ziel zu erreichen, hatte stets auf die Notwendigkeit einer Sitz- und Wählerstimmenmehrheit hingewiesen; ob für die kleine linke Bewegung die Mehrheit im Vergleich zu den Unabhängigkeitsgegnern ausreichend ist, oder ob sie nur bei einer absoluten WählerInnenmehrheit von über 50% weiter an der Abspaltung mitgearbeitet hätte, muss noch geklärt werden.
In jedem Fall sieht die Roadmap zur Unabhängigkeit, die von JxS unterzeichnet wurde, ohnehin eine abschließende Volksabstimmung über die noch auszuarbeitende katalanische Verfassung vor, die den tatsächlichen Schritt in die Unabhängigkeit besiegeln wird. Somit ist sichergestellt, dass letztendlich nur eine absolute Mehrheit den Weg in die Eigenstaatlichkeit absegnen kann.
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