Demokratie und Selbstbestimmungsrecht sind miteinander verbunden und lassen sich schwer trennen. Entweder glaubt man, der Staat sei ein gottähnliches Gebilde, dem der Mensch zu dienen hat und dessen Grenzen er nicht in Frage stellen darf, oder man ist vom demokratischen Prinzip überzeugt und davon, dass der Staat von Menschen geschaffen wurde, um den Menschen zu dienen. Sagt man Ja zum demokratischen Prinzip, wird man nicht Nein sagen können zum Selbstbestimmungsrecht. Zwar wurde im Völkerrecht von den verschiedenen Staaten versucht, das eine vom anderen zu trennen, aber es ist nie gelungen, eine glaubwürdige Begründung zu liefern.
Die wichtigste Begründung für so eine Trennung ist und bleibt die Behauptung, das Selbstbestimmungsrecht stehe nur Völkern zu und nur die hätten das Recht, einen eigenen Staat zu verlangen. Sind die Basken oder die Kurden kein Volk? Sind die Schweizer oder Liechtensteiner ein Volk? Die Schweizer unterscheiden sich untereinander in Sprache, Rasse und Religion stärker als die jeweiligen Volksgruppen in der Schweiz von ihren Nachbarn in Deutschland, Frankreich oder Italien. […]
Es sind die Zufälle der Geschichte, die den einen das Selbstbestimmungsrecht geschenkt haben und einen eigenen Staat, während er den anderen verwehrt blieb. Wie will man den einen erklären, weshalb ihnen dieses Selbstbestimmungsrecht zusteht und den anderen nicht?
Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein in ‘Der Staat im dritten Jahrtausend’, S. 89.
Um dem Prinzip der demokratischen Legitimation nachzukommen wurde in der liechtensteinischen Verfassungsdiskussion der 1990er Jahre ein Modell entwickelt, das es dem liechtensteinischen Volk im Rahmen einer Verfassungsinitiative mit 1.500 Stimmen ermöglicht, eine Abstimmung über die Abschaffung der Monarchie zu verlangen. Die liechtensteinische Monarchie benötigt seither immer das Vertrauen einer Mehrheit der Stimmberechtigten und damit die demokratische Legitimation.
Zusätzlich wurde auch die in der Verfassung verankerte Freiwilligkeit auf Gemeindeebene, was die Mitgliedschaft im Fürstentum Liechtenstein betrifft, eingeführt. Ein ausdrückliches Austrittsrecht auf Verfassungsebene.
Wie sieht es in anderen Staaten bezüglich demokratischer Legitimation der Staatsgewalt aus? Beispielsweise der Artikel 5 der italienischen Verfassung, der von der EINEN und UNTEILBAREN Republik spricht?
Über welche demokratische Legitimation verfügt dieses Prinzip? Über eine Legitimation aufgrund der verfassungsgebenden Versammlung? Welche Auswirkungen hat diese Legitimation auf Südtirol, das über keine Vertreter in der verfassungsgebenden Versammlung verfügte? Unabhängig davon stellt sich die Frage worauf sich das Prinzip der UNTEILBARKEIT der Republik beruft. Wird dieser Grundsatz in gewisser Hinsicht zu einem göttlichen Prinzip erhoben? Dies ließe sich noch im Falle von Prinzipien nachvollziehen, die die Würde des Menschen als unantastbar deklarieren, aber nicht im Falle eines vom Menschen geschaffenen Gebildes, das zudem über keinen demokratischen Rechtstitel hinsichtlich aller die Republik bildenden Regionen verfügt.
Eine Vielzahl an Fragen. Am Demos, also dem demokratischen Prinzip und der demokratischen Legitimation staatlicher Gewalt, kommt eine glaubwürdige Diskussion um eine Neuinterpretation des Selbstbestimmungsrechtes jedenfalls nicht vorbei.
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