Gestern flatterte ein Bescheid der Agentur der Einnahmen ins Haus, gezeichnet von einer offenbar deutschsprachigen Beamtin, jedoch vollständig und ausschließlich auf Italienisch verfasst. Angehängt an den Bescheid fand sich ein zweisprachiges Informationsblatt, welches darüber aufklärt, dass man gegen Bescheide, die das Recht auf Muttersprache verletzten, Nichtigkeitsbeschwerde einlegen könne. Das Prozedere ist genau —wenn auch in fehlerhaftem Deutsch — beschrieben. Die Behörde werde dann innerhalb von zehn Tagen den Bescheid in der geforderten Sprache zustellen oder den Antrag abweisen.
Die staatliche Agentur der Einnahmen begeht also offensichtlich völlig bewusst einen Rechtsbruch und klärt dann gleichzeitig und in aller Tatsächlichkeit darüber auf, was im Falle eines solchen illegalen Bescheides zu unternehmen ist. Diese Vorgehen ist ein bedenklicher Affront dem Rechtsstaat und eine unverschämte Respektlosigkeit dem Bürger gegenüber sowie ein Bürokratismus und eine Torheit, die einem die Sprache verschlagen. Anstatt von vornherein rechtlich korrekte Bescheide zu verschicken, wird der Bürger absichtlich gezwungen, gegen einen illegalen Bescheid zu berufen, um einen rechtlich einwandfreien Bescheid zu erhalten, was wiederum einen unnötigen Aufwand für den Bürger und einen bürokratischen Mehraufwand für die Behörde darstellt.
Nachtrag:
Nach schriftlich erfolgter Nichtigkeitsbeschwerde kam folgende Antwort von der Agentur der Einnahmen.
[L]eider kann Ihre e-mail nicht als Nichtigkeitseinwand mit den entsprechenden, laut DPR Nr. 574/1988, vorgesehenen Wirkungen angesehen werden, da die vorgesehene Bestätigung der Sprachgruppenzugehörigkeit fehlt. Dieselbe muss gemäß Art. 18 des DPR n. 572 vom 26 Juli 1976 dem Nichtigkeitseinwand, der innerhalb von 10 Tagen ab Zustellung gestellt werden muss, beigelegt werden.
Wie darf man das jetzt verstehen?
- Es ist tatsächlich rechtens, dass die Agentur der Einnahmen Bescheide einsprachig verschickt und man muss nicht nur mit etwas Mehraufwand – wie bei den Beipackzetteln – auf einen deutschsprachigen Bescheid bestehen, sondern man muss auch noch “beweisen”, dass man deutscher Muttersprache ist, wenn man einen deutschsprachigen Bescheid haben möchte?
- Warum steht auf dem Infoblatt (dessen Inhalt nicht zuletzt aufgrund der Sprachfehler relativ verwirrend ist), dass man eine Beschwerde bei der zuständigen Behörde auch mündlich ohne Protokollierung einbringen kann, was dann wohl auch ohne Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung abläuft?
- Wieso muss man überhaupt die Sprachgruppenzugehörigkeit beweisen, wo doch normalerweise die Sprachwahl beim Bürger liegt und die diesbezüglichen Rechte für alle gelten, wie der Europäische Gerichtshof im Falle von deutschsprachigen Gerichtsverfahren in Südtirol erkannt hat?
- Wie geht das alles mit dem Grundsatz zusammen, wonach die deutsche und italienische Sprache in Südtirol gleichgestellt sind?
Scrì na resposta