Immer wieder hört und liest man letzthin in deutschen Medien, dass sich Deutschland angeblich in einem Dilemma befinde, da es einerseits dazu aufgefordert werde, als größtes und wirtschaftlich starkes Land Europa zu führen, dann aber — andererseits — beschuldigt werde, anderen seinen Willen und sein Modell aufzuoktroyieren oder gar Europa mit nichtkriegerischen Mitteln erobern zu wollen.
Es sei an dieser Stelle zumindest von unserer Warte aus klar und deutlich gesagt: Europa benötigt nicht die Führung eines einzelnen Nationalstaats, so groß und stark er auch sein mag. Sowohl Größe und Stärke, als auch historische Erfahrungen mit deutscher Führung seien dahingestellt. Soll Europa als einendes und einigendes Projekt jemals Erfolg haben, so kann das wohl nur geschehen, wenn niemand führt, der nicht von allen Europäerinnen und Europäern gewählt (und vor allem abgewählt!) werden kann. Und wenn niemand auch nur den leisesten Zweifel daran haben kann, dass ein Land die Führung übernimmt, das seine eigenen kulturellen, wirtschaftlichen, machtpolitischen Interessen über jene der anderen stellen könnte — ganz egal, ob dieser Zweifel berechtigt ist oder nicht. Das Projekt Europa wird in jenem Maße Erfolg haben, wie es die heutigen Nationalstaaten überwinden kann, anstatt ihnen (einzeln oder gemeinsam) neue Führungsrollen zuzuerkennen.
Wir haben europäische Institutionen, die drastisch demokratisiert und dann gestärkt werden müssen, daran führt kein Weg vorbei. Dann entsteht auch kein »deutsches Dilemma« um die Führung.
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