Im Jahr 2011 legte die SVP erstmals ein (unausgegorenes) Konzeptpapier zur sogenannten Vollautonomie vor, bei der es sich eigentlich um eine stärkere Form von Teilnautonomie handelt. Es sollte den Unabhängigkeitsbefürwortern den Wind aus den Segeln nehmen, der VP im Diskurs um den Autonomieausbau wieder eine Führungsrolle verleihen und — in den Augen der Partei — der »unrealistischen« Eigenstaatlichkeit die »realistische« Idee der inneren Selbstbestimmung entgegensetzen. Noch bevor Mario Monti Ende Jahres an die Macht kam fragte , auf welchem Planeten die VP die Vollautonomie umsetzen wolle, denn die Erde könne wohl kaum gemeint sein. Monti begann in der Folge eine Demontage unserer Autonomie, die den SüdtirolerInnen die Hilflosigkeit unserer Selbstverwaltung gegenüber zentralistischer Willkür vor Augen führte. Trotzdem hielt die SVP auch weiterhin an ihrem angeblichen Ziel fest, ohne jedoch jemals ein klares Ergebnis erzielen zu können, das eindeutig in diese Richtung gezeigt hätte. Stattdessen wurden mit Parteien und Regierungen in Rom Abkommen über Abkommen unterzeichnet, die nicht das Papier wert waren, auf denen sie geschrieben standen.
Vier lange Jahre vergeudet.
Nun wissen wir: Die SVP hat den SüdtirolerInnen einen Bären aufgebunden, auf dem Planeten Erde wird es definitiv keine Vollautonomie geben. Landeshauptmann Kompatscher gestand — wie das Tagblatt A. Adige berichtet — gestern bei einer Autonomieveranstaltung in der Brixner Cusanus-Akademie, die von der Demokratischen Partei (PD) organisiert worden war, dass die Vollautonomie gescheitert ist.
Non voglio illudere i sudtirolesi ma la Vollautonomie non ci sarà .
Das Land Südtirol ist also in einer bewegten Zeit, als mehrere Zeitfenster für Zukunftsentwicklungen offenstanden (und teils nach wie vor offenstehen), vier lange Jahre einer Idee nachgelaufen, die nun sang- und klanglos im Mülleimer der Geschichte landen wird. Dass gerade im Vorfeld der anstehenden Autonomiereform kommuniziert wird, dass es einen »vollen« Ausbau (was auch immer dies bedeuten mag) nicht geben wird, ist ein nicht wirklich beruhigendes Signal.
Ein vielsagender Rückblick (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
- Im Jänner 2011 kritisierte Philipp Achammer die selbstverwaltere Volksbefragung der STF im Ahrntal mit den Worten:
Diese Initiative ist unrealistisch und unbegründet und weckt falsche Erwartungen.
und empfahl stattdessen:
Vollautonomie und Europaregion anstatt irgendwelche Experimente.
Nun wissen wir, dass die Vollautonomie unrealistisch war und falsche Erwartungen geweckt hat.
- Im Herbst 2011 machte SVP-Vizeobmann Thomas Widmann den Vorschlag, Italien die Vollautonomie abzukaufen. Ungefähr zeitgleich legte Obmann Theiner das magere Konzeptpapier zur Vollautonomie vor.
- Im November 2011 schrieb der Brixner SVP-Gemeinderat Ingo Dejaco in seinem Blog:
Die Vollautonomie erscheint in meinen Augen als gangbarere (sic) und realistischer Weg für eine eigenständige Zukunft unseres Landes, ganz im Unterschied zu den vollutopistischen Geplänkeln so mancher Oppositionsparteien.
- Im Februar 2012 gastierte der ehemalige bayrische Ministerpräsident Günther Beckstein in Südtirol, um im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zur Vollautonomie über innere Sicherheit zu referieren.
- Die 58. Landesversammlung der SVP im Frühjahr 2012 war dem Thema Vollautonomie gewidmet. Der damalige Landessekretär Achammer sagte:
Die Vollautonomie ist gewissermaßen eine Baustelle. Sie ist eine Aufforderung an uns, gemeinsam daran zu arbeiten, an unserer Autonomie weiterzubauen.
Richard Theiner wurde mit dem Thema Vollautonomie als Obmann bestätigt.
- Schon vor der letzten Landtagswahl prognostizierte ein SVP-Bürgermeister gegenüber , dass sich nach der Wahl niemand mehr an eine Vollautonomie erinnern werde.
- Noch im Mai 2014 sagte Außenminister Sebastian Kurz, die Vollautonomie sei der einzig sinnvolle Weg (!) für Südtirol.
- Während des Runden Tisches in Rai Südtirol (06.11.14) verteidigte Senator Karl Zeller die Vollautonomie gegenüber weiterreichenden Forderungen.
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