Von der Süd-Tiroler Freiheit (STF) wurde am 3.12.2014 im Südtiroler Landtag ein Antrag zur Übernahme der Südtiroler Bahninfrastruktur gestellt. Laut entsprechender Pressemitteilung des Landtages wurde der Antrag vertagt.
Köllensperger (5SB) und Heiss (Grüne) äußerten Bedenken, dass man sich damit viele Kosten ins Land hole. Diese Befürchtung ist sicher richtig, es sollte aber eine Binsenweisheit sein, dass Selbstverwaltung mit Kosten verbunden ist. Allerdings könne die Schlussfolgerung wohl nicht die Fortschreibung des eingeschlagenen Weges sein. Südtirol wird vom Zentralstaat ausgenommen wie eine Weihnachtsgans und hofft, dass in Form von zentralstaatlichen Leistungen wieder ein Teil davon ins Land zurückfließt.
Wenn wir Südtirol zukunftsfest machen wollen, muss der Ansatz aber grundlegend geändert werden: Südtirol übernimmt sämtliche vom Zentralstaat durchgeführten Dienste und erhält dafür die völlige Finanzhoheit.
Was die Kosten betrifft, fehlen im Falle der Bahninfrastruktur wohl, wie auch sonst häufig der Fall, genaue Zahlen. Die Bahninfrastruktur wird mit Ausnahme der Vinschgerbahn von RFI (Rete Ferroviaria Italiana) geführt, die als Tochter der FS Holding zu 100% dem Zentralstaat gehört. RFI bekommt für jeden Zug, der über das Schienennetz fährt Trassengebühren. Die Trassengebühren alleine dürften kaum ausreichen um die ordentliche und außerordentliche Instandhaltung zu finanzieren. Es ist schwierig, hier belastbare Zahlen aufzutreiben. In der Schweiz beispielsweise dürfte der Deckungsbeitrag bei ca. 35% – 40% liegen. Der Rest läuft unter dem Kapitel Daseinsvorsorge, zu dem das Schienennetz wie auch das Straßennetz zählen.
Deshalb erhält RFI zusätzlich Zuwendungen vom Staat. In vielen Ländern, so auch in Italien, ist das Schienennetz unterfinanziert. Die Trassengebühren und staatlichen Zuwendungen reichen nicht aus, um den Bestand zu erhalten, geschweige denn größere Investitionen zu tätigen. Aus diesem Grund müssen Investitionen, die im Interesse des Regionalverkehrs liegen, vielfach von den Regionen selbst gestemmt werden. So auch in Südtirol. Südtirol finanziert die entsprechenden Investitionen im Pustertal und auf der Meraner Linie ohnehin. Das materielle Eigentum der vom Land sanierten Infrastrukturen verbleibt dann aber bei RFI. Auch diesbezüglich kursieren — wie so häufig, wenn es um Zuständigkeiten geht — verschiedene Darstellungen. Bestimmte Akteure behaupten z.B., dass zumindest teilweise die Bahnhofsgebäude, nicht die Bahnanlagen, auf der Pustertaler und der Meraner Linie materielles Eigentum des Landes wären. Konkrete Belege für diese These liegen mir nicht vor.
Aufgrund der Vielfalt der Versionen bleibt auch zu bezweifeln, dass die Übernahme der Meraner Bahn, die das Land seit gefühlt 15 Jahren anstrebt, wirklich zu einem vollständigen Übergang des materiellen Eigentums an das Land Südtirol führt. Nur letzteres führt mittel- bis langfristig auch zur gewünschten qualitativen Verbesserung des Bahnverkehrs in der westlichen Landeshälfte. Die Kompetenzüberschneidung zwischen Land Südtirol als Besteller, RFI als Streckenbetreiber und Trenitalia als eng mit RFI verbandeltes Bahnunternehmen ist keine zukunftsweisende Allianz. So wird von Insidern hinter vorgehaltener Hand bestätigt, dass RFI wohl einige Türen wieder verschlossen hätte, wenn man den Vertrag mit Trenitalia nicht verlängert hätte.
Während das Land Südtirol den Übergang der Meraner Linie zumindest bisher erfolglos verhandelt, erklärte LR Mussner zu den anderen Linien:
Die Übernahme internationaler Strecken – dazu gehöre auch das Pustertal – sei aus realistischer Sicht nicht möglich.
Trotz anscheinend nicht mehr existenten Grenzen — die Pustertaler Linie verbindet das Südtiroler Pustertal mit dem Osttiroler Pustertal und die Brennerbahn das Südtiroler Wipptal mit dem Nordtiroler Wipptal — spricht man von internationalen Strecken. Unabhängig davon sieht die SVP in gewohnt vorauseilendem Gehorsam ein »unrealistisches« Projekt, anstatt das eigene Handeln der Prämisse zu unterwerfen, was gesellschaftlich wünschenswert und sinnvoll ist.
Aber anstatt visionäre Forderungen zu artikulieren und diese auch umzusetzen, bettelt man lieber in Rom um Brosamen und versteckt sich hinter juristischen Floskeln. Wie ist es sonst zu erklären, dass sowohl Alt-LH Durnwalder, als auch LH Kompatscher die Auffassung vertreten, dass die Riggertalschleife von RFI finanziert werden müsse, anstatt sie selber zu bauen und diese natürlich in Landeseigentum verbleibt und im Zuge des Baus gleich um die Übernahme der Pustertaler Bahn zu verhandeln? Wo ist denn hier der vollautonome Ansatz?
Im Übrigen hätte man als Gegenleistung für die drei Milliarden, die man bei den Finanzverhandlungen in Rom verschenkt hat, zumindest das materielle Eigentum der Bahninfrastrukturen und der Staatsstraßen, die nur vom Land verwaltet werden, einhandeln können.
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