Vattenfall — Wie lange noch kommen die Interessen der sorbischen Minderheit in Deutschland unter die Schaufelräder der Braunkohlebagger?
Leserbeitrag von Wolfgang Schimank, Berlin/Neuruppin
Es ist schon schockierend, mit welcher Dreistigkeit die Politiker Brandenburgs und Sachsens die Interessen der Sorben ignorieren.
Seit den 1920er-Jahren wird in der Lausitz Braunkohle abgebaut. In der Nähe befinden sich viele Kraftwerke, in denen die Braunkohle verfeuert wird. Durch den Braunkohletagebau und die Kraftwerke sind viele Arbeitsplätze entstanden. Das ist für eine strukturschwache Region wie die Lausitz schon sehr wichtig. Allerdings hat die ganze Sache eine Kehrseite: Im Laufe der Zeit wurden viele Ortschaften im sorbischen Siedlungsgebiet dem Erdboden gleich gemacht. Damit ist Stück für Stück sorbische Kultur verloren gegangen. Nun reicht es den Sorben.
Am 2. September 2014 hatten Vertreter der sorbischen Minderheit in Deutschland einen Brief an die schwedische Regierung geschrieben und den Verzicht des Staatskonzerns Vattenfall auf weitere Braunkohletagebaue in der Lausitz gefordert. Für die Braunfärbung der Spreezuflüsse (Verockerung) ist laut Bund und Greenpeace die unkontrollierte Einleitung von Grubenwasser aus dem Tagebau Welzow-Süd verantwortlich. Welche Auswirkungen das auf die Flora und Fauna hat, ist noch nicht ganz geklärt. Auf den Tourismus im Spreewald wirkt sich das negativ aus.
Wer paddelt oder badet schon gerne in einer braunen Brühe? Noch schwerer wiegt die Tatsache, daß durch die Zerstörung von Ortschaften die gewachsenen Gemeinschaften unwiderruflich zerstört werden. Im besagten Brief beklagen die Sorben:
Der Braunkohletagebau hat allein in der Lausitz bereits 28.000 Menschen die Heimat genommen, mehr als 130 Dörfer und eine riesige Fläche von unersetzlichem Kulturraum zerstört. Die bedrohte sorbische Kultur und Sprache hat unter dem jahrzehntelangen Raubbau besonders gelitten.
Kaum hat dieser Brief den Adressaten erreicht, appellieren die Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg, Vattenfall möge sich weiter in der Lausitz engagieren. Beide Regierungen haben bereits die Tagebaue Welzow-Süd, Teilfeld II, und Nochten, Abbaugebiet II, genehmigt, was den Abriß weiterer Dörfer bedeutet. Abgesehen von der Mißachtung der Bedürfnisse einer nationalen Minderheit widersprechen der verstärkte Abbau und die Verbrennung der Braunkohle dem Sinn der vielmals von der Bundesregierung proklamierten Energiewende.
Die Märkische Allgemeine Zeitung vom 1./2. November 2014 berichtete, daß sich Vattenfall aus dem Braunkohlegeschäft in der Lausitz verabschieden will. Die Frage nach dem Wann blieb offen. Die Landespolitiker sind geschockt, und jede Partei und Organisation stellt ihre Forderungen, wie das weitere Engagement Vattenfalls aussehen soll. Wie die Zukunft auch aussehen mag, wichtig wäre es, daß die Interessen der Sorben nicht länger unter die Schaufelräder der Braunkohlebagger kommen.
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