Ein beeindruckender Artikel in der Wochenendausgabe der Tageszeitung belegt, wie doppelzüngig die Schützen bei der angeblichen Faschismusbekämpfung sind. Der Verein soll sich, wenn ihm mit der Geschichtsbewältigung ernst ist, intensiv mit der eigenen Vergangenheit befassen, bevor er sich öffentlich zu Wort meldet. Er schadet sonst nicht nur sich selbst, sondern dem Antifaschismus überhaupt.
Tiroler Gewissen mit Gedächtnislücken.
von Christoph FranceschiniDer Südtiroler Schützenbund tritt immer offensiver als antifaschistische Bewegung auf. Was man aber nicht tut: Die eigene Vergangenheit nach rechts aufarbeiten. Christoph Franceschini über die braunen Flecken auf der Tracht der Mander und die Kontinuitäten bis heute.
“Der Schützenbund ist das Gewissen des Landes”, sagte der amtierende Bundesgeschäftsführer des Südtiroler Schützenbundes Elmar Thaler ganz am Ende eines Filmes zum 50-jährigen Jubiläum des SSB. Seit langem, aber vor allem in den letzten Jahren, tritt der SSB immer offensiver gegen die faschistichen Denkmäler auf. Der Marsch im vergangenen November in Bozen und die für morgen geplante, große Protestkundgebung gegen den “Kapuziner Wastl” in Bruneck sollen demonstrativ und spektakulär diese Haltung untermauern. Gleichzeitig gebrauchen Thaler & Co. eine Standardformel. Immer dann, wenn der “gesunde Patriotismus” (Elmar Thaler im Film) in die Nähe rechten Gedankengute kommt, heißt es: “Der Südtiroler Schützenbund verurteilt jedwedes totalitäre Gedankengut, sei es Faschismus als auch Nationalsozialismus.” Dieses Bekenntnis und das Marschieren gegen die Denkmäler in Südtirol, sollen die Südtiroler Schützen zu glühenden Anti-Faschisten machen.
Doch die Hausaufgaben im eigenen Haus hat man nicht gemacht. Denn die [eigene] Vergangenheit der Nähe zum NationalIsozialismus, zu rechtsextremen Kreisen, zum Holocaust-Leugner David Irving und die bis heute bestehenden Verbindungen werden einfach verschwiegen, verdrängt und bewusst ausgeklammert. Vergangenheitsbewältigung fordern die Mander nur auf der [anderen] Seite. Auf jener, die aber sie betrifft, tut man nichts. Das “Gewissen des Landes hat sozusagen einige Gedächtnislücken.
Die offizielle Geschichte des Südtiroler Schützenbundes und des Südtiroler Schützenwesens wird immer nach demselben Schema dargestellt. Die Stationen dabei: Die Ursprünge des Tiroler Schützenwesens im Spätmittelalter, das “Tiroler Landlibell” Kaiser Maximilians des I. 1511, die Verteidigung der Heimat. Die Teilung Tirols, der Friedensvertrag von St. Germain, nach dem den Schützen das Tragen von Waffen verboten wird und dann das Verbot des Schützenwesens durch die Faschisten. Danach folgte eine Lücke von über 30 Jahren. So wie im Film von Heinz Degle oder auch in der offiziellen Chronologie auf der Homepage des “Südtiroler Schützenbundes” geht die Geschichte der Südtiroler Schützen dann erst 1958 mit seiner Wiedergründung weiter. Dazwischen aber? Vergessen. In der offiziellen SSB- Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum wird erstmals der Teppich der kollektiven Verdrängung ein klein wenig angehoben. Dort heißt es lapidar: “Auch die Nationalsozialisten erlaubten nach der Machtübernahme in Südtirol 1943 kein Wiederaufleben des Schützenwesens, sondern missbrauchten einzelne Gruppen in Schützentrachten für ihre Zwecke.” Das ist alles. Dabei präsentierte sich die Geschichte etwas anders.
Bereits im September 1938 schlossen die Nationalsozialisten in Nordtirol alle Schützenkompanien und Trachtengruppen zum “Standschützenverband Tirol-Vorarlberg” zusammen. Der eindeutigen NS-Organisation gehörten Ende 1939 rund 100.000 Mitglieder an. Kommandant war Gauleiter Franz Hofer. Nach dem Einmarsch der Deutchen Wehrmacht 1943 wurde nach demselben Modell auch die Errichtung eines Standschützenverbandes in Südtirol angeordnet. Die führende Rolle dabei spielte die “Arbeitsgemeinschaft der Optanten” (ADO). Sie hatte schon vorher überall im Land ein eigenes Schützenwesen, Musikkapellen und Trachtengruppen im Land aufgebaut. Die ADO schloss jetzt diese Schützenkompanien unter dem NS-Standschützenverband zusammen und schaltete sie gleich. Wie sehr die Standschützen dem Regime verbunden waren, zeigt ein Detail. Bereits 1943 trat man mit dem Wunsch nach Aufstellung einer eigenen Formation zur Landesverteidigung an Gauleiter Franz Hofer heran. Im Herbst 1944 wurden die Südtiroler Standschützen dann zu einer militärischen Formation des NS-Regimes. Es war die Variante des “Tiroler Landlibells” unterm Hakenkreuz. Die Mander waren eindeutig nationalsozialistisch eingefärbt. Auf die Uniform wurde nämlich ein Tiroler Adler mit einem Hakenkreuz in den Fängen aufgenäht.
Immer wieder marschierten die Schützenkompanien aber auch in Tracht bei nationalsozialistischen Anlässen mit. In Innsbruck, in Brixen oder in Bozen. Die Hand zum Hitlergruß erhoben und voll in die Nazi-Maschinerie integriert. Dutzende Südtiroler Schützenkompanien traten so beim lnnsbrucker Landesschießen an. Im “Bozner Tagblatt” finden sich zahlreiche Propagandaberichte über Landes- oder Bezirksschießen in den Jahren 1944 und 1945. Die Schützen waren dabei ganz gezielt Akteure und Teil der NS-Massenversammlungstheatralik.
Der Großteil der Mander, die in den Südtiroler Standschützenverbänden gedient hatten, ganze Kompanien, finden sich 15 Jahre später dann im Südtiroler Schützenbund wieder: Am 2. März 1958 wurde in Bozen der “Südtiroler Schützenbund” wieder gegründet. Erster Landeskommandant wurde der damalige Landeshauptmann Alois Pupp. Erster Bundesgeschäftsführer August Pardatscher: Alois Pupp, 1900 in Untermoi im Gadertal geboren, war bereits in den dreißiger Jahren nach Deutschland ausgewandert. Der Diplom-Ingenieur fand in Danzig in der Rüstungsindustrie Arbeit. Im Februar 1943 suchte Pupp um die Aufnahme in die NSDP an. Am 1. Juni 1943 wurde der spätere Südtiroler Landeshauptmann und erste Landeskommandant des SSB unter der Nummer 9.561.641 NSDAP-Mitglied.
Auch der erste SSB-Geschäftsführer, August Pardatscher, hat eine Vergangenheit, die der Schützenbund wohlweislich bis heute verschwiegen hat. Der Kalterer, Jahrgang 1921, hat sich 1940 freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. 1942 wurde Pardatseher zum SS-Rottenführer befördert. Ein Jahr später zum “Unterscharführer” und im Mai 1945 zum SS-Oberscharführer: Er war damit einer der höchsten SS-Angehörigen Südtirols. Dass August Pardatscher seine SS-Zugehörigkeit zwar nicht an die große Glocke gehängt hat, im Schützenbund aber seine Vergangenheit kaum verleugnet hat, macht ein Foto deutlich. Die Aufnahme aus dem Jahr 1958, gemacht bei einem Schützenfest in Kaltem, zeigt den Landeskommandanten Alois Pupp mit seinem Bundesmajor August Pardatscher. Pardatscher hat an seinem Revers nicht nur das Eiserne Kreuz Erter und Zweiter Klasse, sondern darüber auch die so genannte “Nahkampfspange”. Die Auszeichnung wurde von Adolf Hitler und dem Regime im November 1942 eingeführt. In der NS-Verordnung heißt es: “Die Nahkampfspange wird als Anerkennung dem Soldaten verliehen, der sich vielfach im Nahkampf ‘Mann gegen Mann’ mit der Waffe in der Hand entsprechend bewehrt hat.” In der Verordnung steht auch, was man unter einem Nahkampf versteht: “In denen die ausgezeichneten Kämpfer die Gelegenheit fanden, das Weiße im Auge des Feindes zu sehen.” Die Nahkampfspange gab es in drei Abstufungen, Bronze, Silber und Gold. August Pardatscher hat jene in Silber am Revers. Diese wurde für 30 erfolgreiche Nahkämpfe verliehen.
Der erste Geschäftsführer des Südtiroler Schützenbundes war mit seiner offen zur Schau gestellten NS-Ordenspracht alles andere als eine Ausnahme. So fielen die Südtiroler Schützen beim großen Landesfestumzug in Innsbruck 1959 anlässlich der 150-jährigen Jubiläumsfeierlichkeiten zum Tiroler Freiheitskampf von 1809 auch dadurch auf, dass sie unverhohlen ihre NS-Auszeichnungen trugen. Obwohl das damals in Österreich eigentlich gesetzlich verboten war.
Aber auch in den 80er Jahren war die Grenze zu Rechts im Schützenbund mehr als offen. Immer wieder pilgerten Schützen, teilweise ganze Kompanien, nach Passau. Der rechte Verleger Gerhard Frey, Herausgeber der “Deutschen Nationalzeitung” und Sponsor, Vorsitzender und Chef der “Deutschen Volksunion”, versammelte dort in der Nibelungenhalle einmal im Jahr die Spitze des europäischen Rechtsextremismus. Anlässlieh dieser Treffen wurde auch der von Frey gestiftete und mit 10.000 DM dotierte “Andreas-Hofer-Preis” verliehen. Den Preis erhielten auch die beiden hohen Schützenfunktionäre Jörg Picher (1984) und Oswald Astfäller (1985). Jörg Picher war damals stellvertetender Landeskommandant des Südtiroler Schützebundes. Obwohl der damalige Landeskommandant Bruno Hosp schriftlich die Südtiroler Schützen davon abbringen [wollte], in der Nibelungenhalle aufzumarschieren, fuhren hunderte Schützen jahrelang nach Passau. Dort traten der stellvertretende Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Jörg Picher, oder der Vinschger SSB-Bezirksobmann, Oswald Astfäller, dann gemeinsam am Podium mit dem englischen Historiker und Holocaust-Leugner (inzwischen in Österreich verurteilt) David Irving auf.
Dass diese Verbindungen aber auch heute noch bestehen, wurde in einem Gerichtsverfahren deutlich, das der amtierende SSB-Landeskommandant Paul Bacher und dessen Adjutant Efrem Oberlechner im vergangenen Jahr gegen die “Tageszeitung” angestrengt haben, Im Verfahren kam auch ein Bericht der Carabinieri-Sondereinheit ROS aus dem Jahre 2001 zum Vorschein. Dort heißt es: “Oberlechner wurde auch im Zuge einer Kontrolle von Nazi-Skinhead-Gruppierungen, die zum Kongress der ‘Deutschen Volksunion’ (…) nach Passau unterwegs waren, identifizielt,” Die DVU wurde 1987 eine Partei. Sie wird vom deutschen Verfassungsschutz eindeutig als “rechtsextrem” eingestuft. Heute ist Efrem Oberlechner Referent für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit im Südtiroler Schützenbund.«
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