No Credit: Kampagne des Landes Südtirol.
Nicht nur aufgrund der zahlreichen und gehäuften Unfälle unter Beteiligung von Motorradfahrern erstarkt nun endlich auch in Südtirol der gesellschaftliche Widerstand gegen die allgemeine Raserei und das Recht des Stärkeren, Lauteren und Schnelleren auf unseren Straßen. Insbesondere in den Dolomiten und auf der Mendelstraße — aber beileibe nicht nur dort — ist die Situation inzwischen unerträglich geworden. Bürger und Gemeindeverwalter fordern nun ein härteres Durchgreifen der Ordnungshüter, doch leider ist das in Italien gar nicht leicht. Wir hatten schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass aufgrund des von einer Berlusconi-Regierung (genauer gesagt: von Lega-Innenminister Roberto Maroni) erlassenen Reglements etwa Radarkontrollen nur noch dann stattfinden können, wenn sie durch ein Schild angekündigt werden. Außerdem muss in den meisten Fällen ein Polizeibeamter anwesend sein, was die Installation fixer Anlagen fast unmöglich macht. Die Bedingungen, um überhaupt präventiv-repressiv tätig zu werden, wurden ins Unermessliche (und Lächerliche) angehoben. Man braucht sich nur in einschlägigen Internetforen umzusehen, um mitzubekommen, wofür ausländische Motorradfahrer Italien — und im Speziellen Südtirol — halten: ein einziges Radarparadies. Eine kleine haarsträubende Kostprobe dessen, was eine schnelle Internetrecherche zutage gefördert hat*:
Mobile Blitzer müssen 400 m vor dem Beginn der Messstrecke mit einem blauen Schild angekündigt werden (sind also nur bei Blinden wirksam).
Die stationären Starenkästen sind derzeit (zumindest in Südtirol) ausser Betrieb weil sie gegen irgendein Bürgerrecht verstossen.
Beide Bestimmungen stammen noch aus der Regierungszeit Berlusconis.
oder
Mein Wissensstand ist der, dass in Italien nur geblitz[t] werden darf, wenn innerhalb von 500 m hingewiesen wird und ein Carabinieri dabeisteht, man also erkennen kann “wer” für die Messung verantwortlich ist…
In den Ortschaften fahre ich sowieso nur gering(st)fügig schneller als die erlaubte Geschwindigkeit. Außerhalb hab ich die Dinger wenn kein Auto danebensteht bisher immer ignoriert…
Hatte bisher nie Probleme – mein “Stammwirt” in Südtirol hat mir fest versprochen, dass ich der ertse [sic] bin, der erfährt, wenn sich da was ändert.
Ach ja ich trau mich nur mehr in Italien wirklich unbeschwert zu “fahren”…
Pässeblasen [!] is goil
oder
Ach ja, noch was: Italien ist nicht Südtirol !!! […] In Südtirol habe ich noch keinen negativen Polizeikontakt gehabt.
Gerade letzterer Kommentar zeigt, dass in den Augen notorischer Raser gerade in Südtirol (entgegen dem Klischee) weniger streng kontrolliert wird, als andernorts. Sicher nicht unschuldig daran sind zweifelhafte Medienkampagnen, Äußerungen von Politikern und nicht zuletzt die Verbraucherzentrale, die sich als »öffentliche« Institution einen Namen als Raserzentrale gemacht hat — indem sie undisziplinierte Verkehrsteilnehmer wider das öffentliche Interesse gegen Blitzer und Ordnungskräfte vertreten und verteidigt hat. Ob dies nun in direktem oder nur indirektem Zusammenhang mit dem traurigen Anstieg der Unfalltotenzahlen steht, sei (da schwer nachzuweisen) dahingestellt. Dass wir jedoch eine neue Ethik der Koexistenz im Verkehr benötigen, steht außer Frage: Wie überall, wo Regeln missachtet werden, zahlen zuerst die Schwächeren, zuletzt vielleicht sogar alle drauf.
Der italienische Premierminister hat indes angekündigt, die ohnehin hohen Strafen bei Verkehrsunfällen noch einmal verschärfen und den Tatbestand des Verkehrsmordes einführen zu wollen. Ohne diese Maßnahmen (die allerdings erst greifen, sobald bereits ein Unfall verursacht wurde) verurteilen zu wollen, muss aber darauf hingewiesen werden, dass es in Italien nicht an Drohungen fehlt, sondern an der Ahndung von Vergehen und der Durchsetzung einfachster Regeln. Dass in Südtirol seit Maroni nicht einmal ein Blitzer aufgestellt werden darf, ohne dass der Regierungskommissär zustimmt, hat mit Realitätsnähe (und Autonomie) nichts zu tun.
*) wobei davon auszugehen ist, dass sich die meisten Raser öffentliche Äußerungen verkneifen, um Spielverderbern wie uns keine Munition zu liefern
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