An den Geschäftsführer des Tourismusvereins Gitschberg-Jochtal, Florian Mair.
Sehr geehrter Herr Mair,
ich schreibe Ihnen diesen offenen Brief, um Sie in Ihrer Entscheidung zu bestärken, die Ferienregion »Gitschberg-Jochtal« am italienischen Markt mit »Rio Pusteria« zu bewerben. Das ist in Zeiten wie diesen, wo die Mittel knapper und die Gäste weniger werden, eine effiziente und kostengünstige Maßnahme zur Kundenwerbung. Wer will schon seinen Urlaub an einem Ort verbringen, dessen Namen er nicht aussprechen kann? Mit Verlaub und unter uns gesagt: Die italienischen Gäste sind eben ein wenig sprachbehindert — aber was sage ich? natürlich nicht nur die italienischen: es geht hier um alle Gäste, die nicht aus dem deutschen Sprachraum zu uns kommen. Und ob es an den Gästen oder an der nicht mehr zeitgemäßen Komplexität der deutschen Sprache liegt, wäre auch erst zu beweisen. Deshalb würde ich Ihnen empfehlen, gleich den nächsten Schritt zu planen: »Rio Pusteria« überall zu benutzen, außer hier in Südtirol und eben bei den Gästen aus Deutschland und Österreich. Daran haben Sie bestimmt auch schon gedacht. Sollen diese Ewiggestrigen doch plärren und von Kultur und Authentizität schwafeln… aber seien wir uns ehrlich: Den heutigen Gast, den Qualitätstouristen interessiert nur die Bequemlichkeit und wir müssen alles tun, was diese Bequemlichkeit unterstützt! Schade übrigens, dass der Tourismusverein nicht vorausschauend genug war, den italienischen Namen für den Gitschberg (Monte Cuzzo!) schon vor Jahren als alleinigen einzuführen. Aber was man vor Jahrzehnten aus falsch verstandenem Selbstbewusstsein versäumt hat, können wir — können Sie! — heute immer noch nachholen. Auf einem Monte Cuzzo fährt doch jeder lieber Ski, als auf der Gitsch, selbst ein Hamburger oder ein Leipziger. Dann, aber das sollten Sie heute noch nicht öffentlich kommunizieren, müsste man endlich auch an die Hotelbezeichnungen herangehen: Wer kann schon einen »Mühlsteigerhof« oder einen »Langwieserhof« korrekt aussprechen? Wer sucht so einen Namen bei Google? Hotels mit klingenden Namen wie »Cristallo«, »Italia« oder »Perla« brauchen wir, die südländisches Flair kommunizieren, die jedem leicht über die Lippen gehen und von denen man zu Hause erzählen kann, ohne sich die Zunge zu verknoten. Ihre Tourismusregion könnte ein Vorreiter sein für ganz Südtirol und schließlich für die ganzen Alpen. Ich höre es schon, »Disneyland« werden sie sagen, aber da muss man hart bleiben und das ganze ein paar Jahre durchstehen, bis sich die Leute daran gewöhnt haben. Das war doch damals auch schon so. Und dann… dann kann man sich die nächsten Schritte überlegen. Zum Beispiel: Warum soll ein Skilehrer Gerhard oder ein Hotelier Tschurtschenthaler heißen? Ist das kundenfreundlich? Ich finde nicht. Das Stichwort heißt Bequemlichkeit (ich habe es schon oben erwähnt) und wenn wir draufkommen, dass den Gästen unsere Alpen in Wirklichkeit viel zu steil sind, sollten wir auch nicht vor drastischen Erdbewegungsarbeiten zurückschrecken. Im Gegenteil: Die Bauwirtschaft steckt in der Krise, da wird man doch um jeden Arbeitsplatz froh sein?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg und Durchhaltevermögen.
Ihr Simon Constantini
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