Die Freiheitlichen wurden bei den Kommunalwahlen in fünf Gemeinden ordentlich abgewatscht, mitunter mehr als halbiert. Die Führungsriege nimmt den Hut. Die Prognosen für die EU-Wahlen sind düster. Zugegeben, ein Schreckensszenario sieht anders aus. Doch der Untergang der Blauen hat einen Wermutstropfen. Einen gewaltigen. Zwar hat die Partei das bekommen, was sie verdient und ist nun dort, wo sie hingehört. Aber die Gründe, warum ihr die Wähler in Scharen davonlaufen, sind die falschen.
Die Hauptverantwortung für den so genannten »Rentenskandal« trägt die SVP. Ohne die SVP hätte es diesen Skandal nicht gegeben. Ohne die Freiheitlichen wäre er dennoch passiert. Mair, Leitner und Co. haben vor allem im Krisenmanagement versagt. Die wahren »Schuldigen und Bösen« (die alte SVP-Garde, die die Luxuspensionen eingeführt hat; die Ideatoren der neuen Regelung; jene, die weiterhin horrende Renten beziehen) kommen daher fast ungeschoren davon, ja werden stellenweise sogar belohnt. Das Verhalten der »Wutbürger« ist paradox zum Quadrat. Die Freiheitlichen – und auch die Süd-Tiroler Freiheit – wurden abgestraft, weil sie nach Ansicht ihrer mittlerweile Ex-Wähler »um nix besser sein, als die ondern«. Überspitzt formuliert: Von F und STF hätten wir uns nicht erwartet, dass sie bescheißen und auch auf den eigenen Vorteil schauen (was besagte Parteien nur bedingt gemacht haben). Also können wir gleich die SVP wählen, von der wir wissen, dass sie bescheißt und auf den eigenen Vorteil schaut. Da wissen wir wenigstens, wie wir dran sind.
Zudem ist das Rentenskandälchen sowohl in Sachen Ausmaß als auch in Sachen Niederträchtigkeit alles andere als dazu angetan, Südtirol in seinen Grundfesten zu erschüttern und die »größte politische Vertrauenskrise seit dem Zweiten Weltkrieg« auszulösen. Wäre die Rentenregelung nämlich überhaupt nicht reformiert worden, wäre das kaum jemandem aufgefallen. Die alte Regelung, die langfristig viel teurer kommt als die jetzige, ist ja seit Jahrzehnten nahezu unbeanstandet in Kraft. Der darauf folgende »Dildoskandal«, der tatsächlich nur die Freiheitlichen betraf, wäre unter normalen Umständen wohl eine Randnotiz geblieben. Der mediale Hype und das Aufbegehren dagegen waren einfach nur lächerlich im Vergleich zu anderen Skandalen. Ein Grund für eine derart massive Wählerflucht, während die SVP mancherorts sogar dazugewinnt, sind besagte Ereignisse jedenfalls nicht.
Dabei lieferten die Freiheitlichen in den vergangenen Wochen selbst mannigfaltig Gründe, warum sie absolut unwählbar sind:
- Die Freiheitlichen haben kein Problem, ein Bündnis mit der xeno- und homophoben Lega Nord einzugehen, deren menschenverachtender Rhetorik sie sich auch schön langsam annähern.
- Parteisekretär Michael Demanega gab in einer seiner Presseaussendungen einen Vorgeschmack. Unter dem Deckmantel der »Sorge um die Gesundheit in Europa« stilisierte Demanega Flüchtlinge (die seiner Meinung nach alle ohnehin aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Europa kommen) zu einer gesundheitlichen Bedrohung hoch. Freilich sind Quarantänebestimmungen einzuhalten, aber Demanega spielt subtil mit Ängsten und stigmatisiert Afrikaner pauschal zu potentiellen Ebola-Virus-Trägern. Auch die nach den diversen Tragödien mit offiziell hunderten (wahrscheinlich aber tausenden) Toten ins Leben gerufene Aktion »Mare Nostrum« ist für Demanega ein Skandal. Über die Ursachen und Verursacher der Flüchtlingsströme verliert Demanega kein Wort.
- Auf europäischer Ebene sitzen die Freiheitlichen mit dubiosen Gestalten im Boot. Front National oder die FPÖ stehen für ein rückwärtsgewandtes nationalistisches Europa. Wie inkompatibel Nationalismus und Europa sind und wie fatal eine derartige Kombination für Südtirol wäre, bewies nicht nur das 20. Jahrhundert sondern zeigt auch ein Blick ins Wahlprogramm der FPÖ. Dort wird unter anderem gefordert:
Volksabstimmung über die Mitgliedschaft am Schengen-Raum in Österreich
Die FPÖ hofft wohl auf einen Austritt aus Schengen, was wiederum die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen am Brenner bedeuten würde.
Renationalisierung von Kompetenzen – Gesetzgebung durch Änderung der EU-Verträge wieder stärker auf die nationalen Parlamente rückverlagern
Mehr Macht für Rom. Eine Föderalisierung im Sinne Südtirols sieht anders aus.
Vorrang für heimische Arbeitskräfte – Beschränkung des EU-Freizügigkeitsprinzips durch eine sektorale Schließung des österreichischen Arbeitsmarkts für EU-Bürger und Nicht-EU-Bürger
sowie
Beschränkung der EU-Binnenzuwanderung – keine bedingungslose Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger, die eine Einwanderung in das heimische Sozialsystem ermöglicht
Solche Regelungen würden bestimmt die Ausgestaltung der Europaregion Tirol fördern.
Bei Nicht-Stabilisierung des Euro rasche Restrukturierung der Eurozone durch Austritt der schwachen Volkswirtschaften und Reduzierung auf wirtschaftlich ähnlich starke Volkswirtschaften
Neben dem Egoismus einer solchen Maßnahme würde das die Brennergrenze wieder spürbarer machen als sie ohnehin noch immer ist. Das Bundesland Tirol wäre bei der »starken Volkswirtschaft« Österreich, Südtirol bei der »schwachen Volkswirtschaft« Italien.
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