Im März hat in unserer Nachbarregion Venetien ein selbstverwaltetes Referendum über die Gründung einer souveränen Republik stattgefunden, an dem sich laut Organisatoren rund zwei Millionen Stimmberechtigte — großteils zustimmend — beteiligten. Trotz massiver Zweifel an Sicherheit und Glaubwürdigkeit des Abstimmungssystems wurde das Ergebnis parteiübergreifend beachtet und ernstgenommen. Repräsentativumfragen seriöser Umfrageinstitute bestätigten den weit verbreiteten Wunsch der Veneter nach mehr Selbstverwaltung oder gar Abspaltung von Italien.
Dies führte nun dazu, dass sich der italienische Innenminister Angelino Alfano zur Angelegenheit zu Wort meldete und von der Existenz einer »questione veneta« sprach. Die Bevölkerung habe mit dem Referendum ein diffuses Unbehagen zum Ausdruck gebracht und die Zentralregierung wolle nun versuchen, es in ihrem Handeln zu berücksichtigen. Beispielhaft nannte Alfano die Möglichkeit, Venetien — im Rahmen der anstehenden Verfassungsreform — eine Form von asymmetrischem und besonders ausgeprägtem Föderalismus zuzugestehen.
Ob die Regierung von Matteo Renzi sich tatsächlich dazu wird durchringen können, gerade im Zuge ihrer derzeitigen Rezentralisierungsbestrebungen ein höheres Maß an Autonomie für Venetien umzusetzen, sei vorerst dahingestellt. Tatsache ist jedoch, dass die Entwicklungen folgendes zeigen:
- In Venetien hat man es durch zivilgesellschaftliches, von Medien und Politik ernstgenommenes Engagement geschafft, dass sich der Staat positionieren und möglicherweise konkret reagieren muss. In Südtirol wurden ähnliche Bestrebungen bereits im Lande lächerlich gemacht und kleingeredet, wodurch sich der Staat erst gar nicht veranlasst sah, in irgendeiner Form auf das auch hier vorhandene Unbehagen zu reagieren — weder mit Worten, noch mit Taten.
- Hierzulande wird stets behauptet, separatistische Bestrebungen würden der Autonomie schaden, was jedoch auch im Fall von Venetien widerlegt wurde: Die Forderung nach Unabhängigkeit hat dort zu einem Autonomie-Angebot vonseiten des Staates geführt. Zudem wurde Ministerpräsident Renzi gezeigt, dass er mit seiner Rezentralisierung nicht einfach wird »durchmarschieren« können.
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