Unerhörtes ist heute während des Kongresses der Autonomen Polizeigewerkschaft (SAP) in Rimini vorgefallen, bei dem auch Polizeichef Alessandro Pansa das Wort ergriffen hatte. Drei letztinstanzlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilte Beamte, die 2005 im Zuge einer Kontrolle den 18jährigen Federico Aldrovandi umgebracht hatten, wurden von den Kongressteilnehmern mit einem fünfminütigen Applaus empfangen. Das ist eine deutliche Solidaritätsbekundung der anwesenden Polizisten für Kollegen, welche sich über Legalität und Rechtsstaatlichkeit hinweggesetzt haben und lässt den Schluss zu, dass Machtmissbrauch und Gewalt zumindest in Teilen der italienischen Polizei als zulässige Arbeitsmethoden gewertet werden. Rund 20% der Staatspolizeibeamten sind Mitglied der SAP.
Auf Nachfrage der Medien verteidigte SAP-Sprecher Massimo Montebove den Vorfall gar noch, indem er klarstellte, man anerkenne zwar die Gerichtsurteile, hätte aber all jenen, die diesen Beruf ausüben, menschliche Solidarität ausdrücken wollen. Bei Polizisten handelt es sich allerdings nicht um Vertreter einer beliebigen Berufsgruppe, sondern um Spezialisten, die eigens dazu ausgebildet werden, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen und — mit höchstem Verantwortungsbewusstsein und äußerster Besonnenheit — das staatliche Gewaltmonopol umzusetzen. Grauzonen, die Zweifel am Rechtsverständnis der Polizei aufkommen lassen, darf es in einem Rechtsstaat nicht geben.
Premier Renzi hat sich bereits an Patrizia Moretti, Mutter des Polizeiopfers Fabrizio Aldrovandi, gewandt und die Vorfälle von Rimini verurteilt. Dies mag zwar ein richtiger Schritt sein, in seiner Funktion als Regierungschef muss der ehemalige Bürgermeister von Florenz jedoch konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen. Dafür stehen die Vorzeichen bislang schlecht, zumal sein eigener Innenminister, Angelino Alfano, erst vor wenigen Tagen damit aufgefallen war, dass er die Polizei grundsätzlich, auch vor berechtigt scheinenden Anschuldigungen, in Schutz genommen hatte: Im Zuge von gewaltsamen Ausschreitungen in Rom hatten Polizeibeamte auf Protestteilnehmer eingedroschen und — wie Videoaufnahmen belegen — auch noch dann willkürlich auf sie eingetreten, als sie bereits wehrlos am Boden lagen. Aufforderungen verschiedener Organisationen, die Polizisten künftig (wie in anderen Ländern) mit Namensschildern oder ähnlichen Identifikationsmerkmalen auszustatten, quittierte der Innenminister mit der saloppen Aussage, solche Schilder sollte man vielmehr den Kundgebenden anheften. Diese grundsätzliche Deckung der Polizei durch den zuständigen Minister weckt Erinnerungen an den G8-Gipfel in Genua von 2001, als (größtenteils harmlose) Kundgebungsteilnehmer von der Polizei schwer misshandelt worden waren. Die Regierung schützte und verteidigte das scharf kritisierte Vorgehen der Ordnungshüter, erst Jahre später konnten Gerichte die Verantwortung der Beamten teilweise aufklären.
Dass das Gefühl einer politischen Deckung, die in jedem Fall gilt und keine Zweifel zulässt, den idealen Nährboden für Fehlverhalten und Amtsmissbrauch bildet, liegt auf der Hand.
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