Wie muss sich die EU verändern, um das (Anm. Reform der EU) zu schaffen?
Die EU muss sich in Gänze verändern. Es gibt drei Herausforderungen für das europäische Projekt, die wir Europapolitiker angehen müssen. Die erste ist die Angst der Menschen, dass ihre nationalen Identität durch Europa substituiert wird. Wir müssen den Leuten sagen: Keiner will euch eure nationale Identität wegnehmen. Als junger Bursche habe ich auch gedacht, wir machen hier die Vereinigten Staaten von Europa. Aber nach 20 Jahren im Europäischen Parlament weiß ich, dass die Nationalstaaten bleiben. Und dass es gut so ist.
Und die zweite Herausforderung?
Wir müssen darüber nachdenken, was national, regional und lokal besser gemacht werden kann als in Brüssel. Es wäre eine meiner ersten Amtshandlungen als Kommissionspräsident, den Leuten in der Kommission zu sagen: Denkt nicht darüber nach, ob es noch irgendeine Ecke gibt, in die wir uns noch nicht eingemischt haben. Sondern denkt in die andere Richtung. Das Problem ist, dass derzeit in der Kommission, überspitzt gesagt, zwei Denkschulen sitzen. Die einen geben nicht eher Ruhe, bis sie auch den letzten kommunalen Friedhof privatisiert haben. Und die anderen hören nicht eher auf, bevor sie nicht einheitliche Beerdigungsordnung in Europa haben. Das macht die Leute verrückt, damit muss Schluss sein.
Martin Schulz (SPD), Kandidat als Kommissionspräsident im SZ-Interview am 20.1.14
Angesichts der globalen Herausforderungen ist es schon erstaunlich, wie selbst ein so selbstbewusster Kandidat den Rückwärtsgang vor den nationalen Regierungen einlegt. Ich hoffe nur, das ist Teil des Wahlgeplänkels um eine breite Unterstützung zu erlangen. Die Nationalstaaten haben in der Krise sehr gut bewiesen, dass sie zu klein für die Herausforderungen in der heutigen Zeit sind. Die EU sollte mehr Mut beweisen und entscheidende Schritte in Richtung mehr Demokratie und eine noch stärkere Integration bei Berücksichtigung der regionalen Interessen forcieren. Ansonsten sind wir in wenigen Jahrzehnten komplett bedeutungslos und verarmt. Martin Schulz hätte ich das zugetraut.
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