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Illegale Demokratie.

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ai

Das Verfassungsgericht hat vor zwei Tagen das italienische Parlamentswahlgesetz von 2005 für verfassungswidrig erklärt, insbesondere den Mehrheitsbonus und die gesperrten Listen, die keine Umreihung durch Vorzugsstimmen mehr gestatten. Damit ist Italiens repräsentative Demokratie seit 2006, als erstmals auf Grundlage dieses Gesetzes gewählt wurde, und bis heute illegal, zumal die Mehrheiten aufgrund verfassungswidriger Normen zustande gekommen sind.

Und obschon das Wahlgesetz von seinem Urheber, Minister Calderoli, schon bald als »Schweinerei« bezeichnet wurde, konnten sich die Parteien über Jahre nicht darauf einigen, ein neues zu verabschieden oder zumindest zum alten zurückzukehren. Die Großen Koalitionen, unter denen zuerst Mario Monti und nun Enrico Letta regier(t)en, hatten ein neues Wahlsystem zwar jeweils zur obersten Priorität erklärt, schoben es dann jedoch stets auf die lange Bank.

Auch nach nunmehr festgestellter Verfassungswidrigkeit erklärte Staatspräsident Giorgio Napolitano das jetzige Parlament kurzerhand für legitim und trug ihm auf, die Wahlen neu zu reglementieren. Dies führt dann zum demokratisch nicht unproblematischen Umstand, dass ein verfassungswidrig zustandegekommenes Parlament trotz bedingter Legitimierung ein (dann hoffentlich verfassungsgemäßes) Gesetz erlässt, um einen der wichtigsten Bereiche der Demokratie neu zu regeln. Der Vulnus wird sich also fortpflanzen und aufrecht bleiben.



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Comentârs

4 responses to “Illegale Demokratie.”

  1. niwo avatar
    niwo

    Wenn es im Sinne der Staatsräson liegt, sind die obersten Repräsentanten ja ziemlich salopp im Umgang mit verfassungsrechtlichen Prinzipien.
    Wenn es dann um Artikel wie “die Einheit des Staates ist unantastbar” geht, spielen dieselben Akteure gerne den Paragraphenreiter und ignorieren demokratiepolitisch legitimierte Entwicklungen der Zivilgesellschaft.

  2. gorgias avatar
    gorgias

    Es ist einfach eine Falschaussage wenn man das aktuelle Parlament als “illegal” bezeichnet. Schließlich wurde dieses aufgrund eines zur damaligen Zeit gültigen Gesetzes gewählt. Auch wenn das Verfassungsgericht jetzt dieses Gesetz als Verfassungswidrig erklärt hat ist dieses Parlament auch nicht rückwirkend als “illegal” zu erklären.
    Dieser Artikel ist wieder einmal unter der Rubrik Italien-Bashing zu verbuchen. Diese Tatsache sollte jetzt nicht zu stark aufgebläht werden. So eine Situation gibt es auch in anderen Rechtstaaten. So wie z.B. in Deutschland wo 2008 das Wahlgesetz vom Verfassungsgericht gekippt wurde und 2013 schon der zweite Anlauf gestartet wurde ein Verfassungskonformes Wahlgesetz zu schaffen. Schauen wir ob es diesmal nicht beanstandet wird:

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-02/bundestag-wahlrecht-beschluss
    http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-monatelangen-verhandlungen-deutschland-hat-ein-neues-wahlrecht-1.1606673

    1. m.gruber avatar
      m.gruber

      Dieser Artikel ist wieder einmal unter der Rubrik Italien-Bashing zu verbuchen.

      Jap. Bashing. Um den Artikel besser einordnen zu können möchte ich hinzufügen, dass das damalige (2009) Wahlrecht in Deutschland nicht mal den OSZE-Standards entsprach.
      http://www.osce.org/de/odihr/elections/germany/40879

      Und noch was. Das war übrigens in keinem Medium dieses Landes zu lesen Gleichzeitig zeige ich, wie man auch ohne Bashing Kritik üben kann ;) :

      Der Südtiroler Landtag ist im Moment auch Verfassungswidrig besetzt, da es die Geschäftsordnung des Landtages absolute und keine relativen Mehrheitsverhältnisse vorsieht. Diese war aber bei der konstituierenden Sitzung nicht gegeben. Deshalb wurde Martha Stocker als “provisorische” Landtagspräsidentin gewählt. Ein “provisorisches” Mandat sieht die Geschäftsordnung des Landtages jedoch nicht vor.

      Mehr noch, wie Andreas Pöder ab 1:34:40 hinweist ist im Autonomiestatut (ein Gesetz mit Verfassungsrang!) im Art. 48/ter Absatz 3 (Pöder sagt fälschlicherweise 46/ter) festgeschrieben, dass das Mandat des Landtagspräsidenten 30 Monate währen muss.

      Der Südtiroler Landtag verstößt demnach gegen die Geschäftsordnung, gegen das Autonomiestatut und gegen die ital. Verfassung.

      Ab 1:23:00 erklärt Riccardo dello Sbarba den Missstand.

      Video der konstituierenden Sitzung:
      http://www.landtag-bz.org/de/datenbanken-sammlungen/video-archiv-detail.asp?lang=de&id=101

      Geschäftsordnung Südtiroler Landtag:
      http://www.landtag-bz.org/download/GO.pdf

      Autonomiestatut:
      http://www.landtag-bz.org/download/2.Autnomiestatut-1972-670.pdf

  3. hunter avatar
    hunter

    ich glaube, das ganze ist daran zu messen, wie mit einem fehler umgegangen wird. ok. es wurde ein fehler gemacht, der nun auch höchstgerichtlich bestätigt ist (die meisten haben es ja ohnehin schon länger geahnt). demokratische reife und güte zeigt sich in der behebung des fehlers.

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