Ob Südtirol auch heute noch im Alltag eine Schutzmacht braucht, die über die Beibehaltung des status quo wacht, mag mitunter bezweifelt werden. Mit Sicherheit wäre eine stärkere Betätigung der eigenen politischen Klasse sinn- und wirkungsvoller als eine Delegierung nach außen. Die beste Verteidigung ist bekanntlich der Angriff. Dennoch ist es nur legitim, wenn Österreich — als internen Akt — den Schutz der Südtiroler ins Grundgesetz aufnimmt. Diese Tatsache ist international ohnehin nur sofern von Belang, als sie (lediglich) österreichische Stellen zum Eingreifen verpflichten könnte. Die Schutzfunktion hat Österreich aber stets ohnehin ausgeübt, auch ohne Verfassungszwänge.
Wir sollten nicht vergessen, wie wichtig dieses Engagement in der Vergangenheit war, auch wenn dies heute zum Glück kaum noch wahrzunehmen ist. Niemals hat die Alpenrepulik eine subversive Haltung eingenommen, noch so harte Kämpfe wurden im Rahmen internationaler Spielregeln und nicht zuletzt vor den Vereinten Nationen ausgetragen. Man darf nicht vergessen, dass Österreich als Vertragspartner des Gruber-Degasperi-Abkommens sogar dazu befugt und angehalten ist, dessen Umsetzung zu observieren und eventuellen Missachtungen entgegenzuwirken. Wenn nun die italienische Mitterechtsregierung verschnupft, ja nervös auf die Absichten des Nachbarn reagiert, so ist dies verräterisch: Wer nichts im Schilde führt, hat auch keinen Grund sich interessierter Beobachtung von außen zu unterziehen. Im Rahmen der europäischen Einigung sollte grenzüberschreitende Hilfeleistung auf der Tagesordnung stehen.
Scharf angegriffen wurde auch die Petition, die immerhin 113 von 116 Südtiroler Bürgermeister unterzeichnet und nach Wien gesandt haben, mit der man Wien in der Absicht bestärkt, die Südtirolfrage im Zuge der Verfassungsreform zu berücksichtigen. Gemeindevorsteher sind keine Männer der großen Politik, sie vertreten vielmehr die Interessen des Einzelnen und sind Pragmatiker. Wenn man sie nun verurteilt, nur weil sie öffentlich die Meinung vertreten haben, unsere Autonomie sei so wertvoll, dass man sie erneut absichern möge, so ist dies nicht nur übertrieben, sondern zugleich ein Angriff auf den Souverän, der sich nirgends so direkt widerspiegelt, wie in den Gemeinden. Das Säbelrasseln aus Rom zeigt ganz nebenbei, dass die »Verankerung« wohl nötiger ist, als es uns lieb wäre. Und nur ein kleiner Schritt in eine Richtung, die uns mittelfristig erlauben soll, frei von Schutzmächten über unser Schicksal zu befinden.
Südtirol darf nicht die Spielwiese römischer Politikdilettanten werden.
Scrì na resposta