Heute im amtlich einsprachig deutschen Schweizer Kanton Basel-Stadt: Meinem mitreisenden Bekannten aus Mittelitalien fällt ein, dass er für die italienische Steuererklärung den Auszug seines Schweizer Postkontos für das Jahr 2012 benötigt. Wir begeben uns also zur Post (PostFinance), wo er zunächst fragt, ob er mit der Dame am Schalter — pardon, am Tresen — Französisch sprechen darf, weil es ihm leichter falle, als Deutsch. »Ja, selbstverständlich!«
Doch als sie uns miteinander Italienisch reden hört, schwenkt sie automatisch auf diese Sprache um. Den Auszug werde sie — »naturalmente« — auf Italienisch ausdrucken, wenn mein Bekannter ihn für den italienischen Fiskus benötigt. Dann empfiehlt sie ihm noch, das Konto in ein spesenfreies Format umzuwandeln, da er die entsprechenden Voraussetzungen erfülle. Sie verschwindet kurz hinter einer Tür und kommt mit dem italienischsprachigen Prospekt wieder.
Die Lesenden werden sich vielleicht der Tragweite dieses völlig unscheinbaren Vorfalls bewusst: In Südtirol, wo es eigentlich genaue Zweisprachigkeitsvorschriften gibt, sind viele Formulare und Prospekte (bei der Post und anderswo) trotzdem nicht in deutscher Sprache verfügbar. Zudem ist es in der Hauptstadt unseres mehrheitlich deutschsprachigen Landes bisweilen fast unmöglich, auf Deutsch bedient zu werden. Zurückzuführen ist dies wohl vor allem auf die »nationalstaatliche Logik« — dass nämlich die italienische Post (wie auch sonst sehr vieles) grundsätzlich auf Italienisch funktioniert und die Mehrsprachigkeit höchstens ein Zugeständnis, eine örtliche Ausnahme ist.
In der Schweiz funktioniert der Dienst aufgrund der mehrsprachigen Prägung des Landes grundsätzlich mehrsprachig, was selbst in eigentlich einsprachigen Regionen einen mehrsprachigen Kundendienst möglich macht.
Auf Italien umgelegt wäre Basel auch gar nicht mit Bozen zu vergleichen, sondern etwa mit Mailand. Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Südtirolerin dort aus reiner Kundenfreundlichkeit in einem Postamt auf Deutsch bedient wird und ein Prospekt in deutscher Sprache erhält (wenn dies offenbar nicht einmal in Südtirol im vorgeschriebenen Umfang möglich ist)?
Fazit: Das mehrsprachige Land (Schweiz) fördert die Mehrsprachigkeit auch in einsprachigen Regionen, während der Nationalstaat (Italien) die Einsprachigkeit auch in mehrsprachigen Gegenden begünstigt. Das ist eine subtile, aber wirksame Tendenz.
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