beruft sich nicht auf das Völkerrecht, oder speziell auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, um die Unabhängigkeit zu erlangen. Dennoch möchte ich mit dieser Serie dazu einladen, gemeinsam über das Völkerrecht nachzudenken, und zu verstehen was es ist und was es nicht ist.
Ich selbst bin kein Experte auf diesem Gebiet, und freue mich daher auf eine anregende Diskussion.
Zunächst möchte ich der Frage nachgehen, warum das Völkerrecht so heißt, und wie der Unterschied zur englischen, französischen oder italienischen Bezeichnung zu erklären ist, wo von »internationalem Recht« die Rede ist. Es wurde bereits gemutmaßt, dass dies etwas mit der Fixierung der Deutschen auf das Volk zu tun haben könnte.
Ich bediene mich dazu des Standardwerkes Völkerrecht*:
Der Begriff “Völkerrecht” könnte zu der falschen Schlussfolgerung verleiten, Regelungsgegenstand dieses Rechtsgebiets sei das Recht der Völker, ganz so, wie das Privatrecht die Beziehungen privater Bürger untereinander regelt. Dass dem nicht so ist, lässt sich bereits daran erkennen, dass eine partielle Völkerrechtssubjektivität von Völkern im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht erst in jüngerer Zeit Anerkennung gefunden hat, mithin Völker als Zurechnungssubjekt solcher Rechtsnormen bis dahin nicht in betracht kamen. Erklärbar ist die deutsche Terminologie als allzu wörtliche Übersetzung des lateinischen “ius gentium”. Im römischen Recht wurden hiermit diejenigen Normen gekennzeichnet, die auf Rechtsbeziehungen privatrechtlicher Art zwischen Römern und Nichtrömern Anwendung fanden; es handelte sich also um eine Art Sonderrecht im Gegensatz zum “ius civile”, das zwischen Angehörigen des Römischen Reiches galt. Später bezeichneten u.a. Francisco de Vitoria und Francisco Suarez, zwei Exponenten der spanischen Spätscholastik, das “ius gentium” oder auch “ius inter gentes” (de Vitoria) die universell für alle Menschen und Herrschaftsverbände gleichermaßen geltende[n] Rechtssätze. Es war Jeremy Bentham, der in seinem 1780 erschienenen Werk “An Introduction to the Principles of Moral and Legislation” für das zwischenstaatliche Recht den präziseren Begriff des internationalen Rechts (international law) prägte, der heute im englischen (public international law) wie auch im französischen (droit international public) Sprachgebrauch vorherrscht. Dieses Begriffsverständnis eines zwischen den Staaten geltenden Rechts ist für die Definition des deutschen Begriffs “Völkerrecht” maßgeblich, wenn auch nicht erschöpfend. In jüngerer Zeit ist eine Ausdehnung des Regelungsbereichs des Völkerrechts auf nicht-staatliche Rechtssubjekte, namentlich auf Individuen zu verzeichnen […].
*) Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, Verlag C. H. Beck, München 2007
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