Ein sehr schönes Zeichen hat das Nobelpreiskomitee in Oslo gesetzt, indem es den diesjährigen Friedensnobelpreis an die Europäische Union vergeben hat. Damit wird uns allen in’s Gedächtnis gerufen, dass die Union — über die derzeitigen wirtschaftlichen Zerwürfnisse hinaus — ein einmaliges Entwicklungs- und Friedenssicherungsprojekt ist.
Der Preis ist aber auch Verpflichtung für die Zukunft. Eine der anstehenden Bewährungsproben für den derzeitigen Club der Nationalstaaten ist der Umgang mit dem in vielen Regionen erstarkenden Willen, demokratisch die Unabhängigkeit im Rahmen der EU zu erlangen. Es wird erforderlich sein, diese Tendenzen zu kanalisieren und positiv zu nutzen, um die heutige starre Ordnung abzuschwächen und die Fortentwicklung der Union in einem noch gemeinschaftlicheren Sinne voranzutreiben.
Dabei ist die EU schon jetzt der existierende Beweis, dass der in der Unabhängigkeitsdebatte häufig beschworene »Realismus« keine Kategorie für politische Entwicklungen sein kann: Die Geschichte der Union ist die Geschichte einer äußerst unwahrscheinlichen Utopie, die sich den Weg in die Realität gebahnt hat. Nach zwei verheerenden Kriegen war es alles andere als selbstverständlich, nicht nur den Weg der Versöhnung zu gehen, sondern die Kooperation schrittweise in solchem Maße zu stärken und auszubauen, dass Staaten nach und nach aus freien Stücken auf wesentliche Teile ihrer Souveränität verzichteten.
1950 hätte wohl kaum jemand geglaubt, dass binnen 50 Jahren eine relativ solide, staatsähnliche Union mit eigenem Parlament, einheitlicher Währung und einem gemeinsamen Markt entstehen würde, eine Solidargemeinschaft, die, mit einem großen Budget und weitreichenden Befugnissen ausgestattet, die Angleichung von Gesetzgebung und Lebensstandards vorantreiben könnte. All das ist heute — auf wesentlich verbesserungs- und ausbaufähige Weise — Realität.
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