Durch die Ausschreibung der Konzession zur Führung der Brennerautobahn dürften für unser Land eine Reihe von Problemen entstehen, die einerseits die Ohnmacht Südtirols gegenüber zentralstaatlichen Begehrlichkeiten offenlegen und andererseits Versäumnisse der Landespolitik im Bereich des Schutzes der Gesundheit an der Brennerautobahn bestätigen.
Über die Ausschreibung der Konzession wurde bereits berichtet. In Zukunft wird es sehr schwer werden, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung durchzusetzen. Die Ausschreibekriterien werden sowieso vom Zentralstaat festgelegt und über Lärmschutzwände oder gar Einhausungen entscheidet morgen möglicherweise ein nationaler oder internationaler Konzern, der den Regeln des shareholder value Prinzips verpflichtet ist. Die Gesundheit der Bevölkerung, die in den Dörfern und Städten an der A22 lebt, ist diesen Konzernen egal — Gewinnmaximierung ist angesagt.
In diesem Zusammenhang erweist es sich auch als Bumerang, dass der Einsatz der Südtiroler Politik und Verwaltung zugunsten einer Verbesserung der Situation an der Brennerautobahn in der Vergangenheit mäßig war. In etlichen Bereichen, etwa einem LKW-Nachtfahrverbot, einer Mauterhöhung für LKWs oder einer flächendeckenden technischen Kontrolle der LKWs fuhr man jahrelang komfortabel im Kielwasser Nordtirols. Die Zuständigkeit für ein LKW-Nachtfahrverbot oder eine Mauterhöhung liegen beim Zentralstaat. Die Landespolitik versäumt es hier, wie in vielen anderen Bereichen, massiv Druck gegenüber Rom aufzubauen, um diese Maßnahmen auch in Südtirol anwenden zu können. Die Europaregion Tirol lässt grüßen — besonders auf Sonntagsreden.
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz Südtirol hat erst im April 2012 den Präsidenten der Brennerautobahn, Herrn Walter Pardatscher und den Südtiroler Landeshauptmann ersucht sich für ein Geschwindigkeitskontrollsystem nach dem TUTOR-Prinzip einzusetzen. Neben der Verkehrssicherheit würden dadurch die Lärm- und Schadstoffemissionen wirksam reduziert. Während Pardatscher abwimmelte steht die Antwort des Landeshauptmannes noch aus. Dies ist nicht verwunderlich. Bei einer Regionalratssitzung im Jahre 2008, hat die SVP mehrheitlich gegen die Einführung dieses Systems gestimmt.
Der Sterzinger Naturwissenschaftler Armin Wisthaler, internationaler Experte im Bereich der Umweltphysik mit Spezialgebiet Luft, bemängelt in der ff 35 vom 30.08.2012, dass die Landespolitik im Bereich der Schadstoffemissionen nie für die entsprechende Sensibilität in der Öffentlichkeit gesorgt hat.
Auf die Frage ob er bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten schon mal auf Widerstand gestoßen sei, antwortet Wisthaler:
Einmal ja, und das sogar hier in Südtirol – eine kuriose Geschichte. Ich wollte die Schadstoffbelastung in Schulen und Kindergärten entlang der Brennerautobahn messen und Messungen mit einem mobilen Labor durchführen, um die tatsächlichen Emissionen von LKWs zu messen. Es kommt nämlich weit mehr aus den Auspuffen, als am Papier angegeben oder in der Werkstatt gemessen wird. Das Projekt wurde vom damaligen Chef der Landesumweltagentur (Walter Huber, Anm. d. Red.) zu Fall gebracht, weil solche Messungen keinen “Mehrwert für Südtirol” erbrächten und man Forschungsergebnisse “aus dem Internet herunterladen” könne. So etwas habe ich in zehn Jahren Forschung auf drei Kontinenten nur in Südtirol zu hören gekriegt. (Lacht). Damit war das Thema Messungen in Südtirol für mich erledigt.
Keine guten Rahmenbedingungen für die betroffene Bevölkerung, die an der A22 lebt. Die EU ist in erster Linie dem wirtschaftsliberalen Prinzip eines möglichst freien Verkehrs verpflichtet. Eine wirksame Verlagerung von der Straße auf die Schiene erfolgt nur verbal.
Der Zentralstaat entreißt dem Land Südtirol als Aktionär der Brennerautobahngesellschaft mit der Ausschreibung der Konzession eine wirksame Möglichkeit direkt Lärmschutzwände oder andere Ausgleichsmaßnahmen zu fordern. Von den finanziellen Einbußen für die regionale Wirtschaft ganz zu schweigen. Zudem liegt die Zuständigkeit in wesentlichen Bereichen sowieso in Rom. Das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention wurde von Italien übrigens bis heute nicht unterzeichnet.
Das Land Südtirol wiederum hat in der Vergangenheit die gesundheitlichen Folgen des ausufernden Transitverkehrs auf der Brennerautobahn nie als zentrales Problem definiert und entsprechend lasch reagiert.
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